Donnerstag, 6. September 2007

Grenzenlose Kinder leben in Aggression - 2

Bevor ein Training erst kräftig durchstarten kann, müssen die Muskeln erst richtig warm gemacht werden. Da sind Laufspiele ein gutes Mittel, den Körperkern zu erwärmen. Dabei laufen diee Kinder mal miteinander oder nebeneinander oder auch gegeneinander. Einer spornt den anderen an und dann dauert es nicht lange, bis die Köpfe rot aussehen und der Körperkern sich erwärmt hat.

In den Minipausen sitzen die Kinder schwitzend auf den Bänken, die am Rand der Sporthalle aufgestellt sind.

Doch nicht nur der Körperkern hat sich erhitzt, sondern auch ihr Gemüt, das sein Potential in der Hitze so nach und nach freisetzt und in aggresssiven Verhalten mündet. Hat eins der Kinder erst ein Imppuls gesetzt, dann setzt sich dieser Impus wie das bekannte Kugelspiel aus der Physik fort. Einer stößt den anderen an und wenn der Trainer nicht schnell genug ein neues Laufspiel anbietet, entwickelt sich die Trainingsstunde zu einer einzigen Schupserei.

"Mein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Nach bevor die Trainingsstunde begann, hoffte ich, er wäre heut nicht dabei. Doch er reihte sich mit den anderen ein. Ich muß also meine Konzentration auf die Gruppe lenken und ihn dabei ja trotzdem im Auge behalten.

Er - das íst ein Kind, das keine Grenzen kennt. Er ist erst mal nur da, ohne zu wissen, warum. Während seine Handlungen grenzenlos sind, hält sich seine Ansprechbarkeit in Grenzen. Wahrscheinlich hat er Ermahnungen schon lange satt und läßt den Dauerbrenner unbeachtet in eine Endlosschleife laufen.

Die Anweisungen der Trainer schlägt er in den Wind und dreht sich ohne Rücksicht um seine eigene Achse. Die Antenne hat er schon lange eingezogen. Er lebt in einen Raum endloser Weite, angefüllt mit Aggression.

Bei jedem Kontakt zu den anderen Kindern in der Halle löst er einen kleinen Wutanfall aus. Die anderen fühlen sich ungehaglich und bedrängt.

Auch an diesem Nachmittag nehmen die Beschwerden über ihn kein Ende und auch die Gegenwehr der anderen bleibt nicht aus. Aber wenn alle Kinder wieder laufen, dann halten sich auch seine Provokationen in Grenzen. Ich kann mich entspannt dem Ablauf widmen und auf die Einhaltung der Regel achten. Wird ein Kind gefangen, dann scheidet es aus und setzt sich auf die Bank. Es hat seine Laufgrenze erreicht und erholt sich erst einmal. Für die anderen ist das Spiel aber noch am Laufen.

Zwei oder drei der Kinder sind schon ausgeschieden und sitzen auf der Bank. Auch er ist dabei, denn Ausdauer ist nicht seine Stärke. Ich kontrolliere im Wechsel die Laufgruppe und die Kinder auf der Bank, schaue mal grade aus, mal nach links. Alles ist ok, die Ausgeschiedenen sitzen am Ende einer Bank und die Anderen laufen sich noch die Lunge aus dem Leib.

Da bemerke ich Unruhe von der Bankreihe aufkommen. Aber es ist nichts auffälliges zu sehen, die Kinder sitzen auf dem Platz. Doch besser ist besser, ich gehe zu ihnen, während die anderen noch um die besten Plätze laufen.

Ich bin an der Bankreihe angekommen. Es gibt nichts auffälliges, was ich hätte bemängeln können und doch weiß ich nicht, warum ich zu ihnen gehe. Die anderen laufen weiter und halten sich an die abgesprochene Regel.

Ohne Vorwarung kommt Er mit einem lauten Geschrei auf mich zu. Mit der linken Hand am Hinterkopf brüllt er sich die Seele aus dem Leib. Ich kann nicht erkennen, was passiert sein könnte und er kann vor lauter schreien mir nicht anworten.

"Ich blute" und nun schreit er noch ein paar Oktaven lauter. Ich glaube fast, das mein Herz zerspringt, doch es hält. "Ich will zu meine Mutti - ich will zu meinem Papa" schreit er verzweifelt und hält weiter die linke Hand an den Hinterkopf und das Blut rinnt an seinem Hals und Armen herunter.

Der Schreck greift weiter um sich. "Ich will zu Mutti - ich will zu Papa" er setzt sich schreidend auf die Bank vor mir. Da rinnt das Blut weiter auf den Boden vor ihm und blidet eine Lache, so groß wie ein kleiner Minisee. Sein Angstkreischen steigert sich "Ich will zu Mutti - ich will - ich will..." und seine Hände zittern, als würde gleich sein Lebenslicht ausgelöscht.

Mein Herz schlägt bis zum Hals. Ich suche nach Verbänden, doch die Hallenwartsfrau hatte sich ja verabschiedet. Ich bin allein in der Halle - mit 12 Kindern und einem Verletzten. Die anderen stehen mit großen Augen zitternd da und wissen nicht, was sie tun sollen, wollen oder können. Auch von ihnen weiß niemand, was passiert ist.

Ich habe kein Verbandszeug und ziehe mein T-Shirt aus, um seine Blut damit aufzufangen. Er schreit sich immer noch die Seele aus dem Leib. Ich stehe im BH vor den Kindern und warte für einen Moment auf eine Antwort auf meine Frage "Was ist geschehen ?". Doch niemand weiß, was mit ihm geschehen ist.

Mit zitternden Händen suche ich nach meinem Handy. Ich wußte nicht, wie eng meine Handtasche war. Bevor ich an mein Handy komme, muß ich die ganze Tasche leeren. 110 und der Ruf geht raus. Ich warte bis sich jemand meldet. Er schreit noch immer, aber nicht mehr nach seiner Mutti. Endlich meldet sich jemand und verbindet mich mit dem Rettungsarzt. Mit bis zum Hals schlagenden Herzen schildere ich mit wenigen Worte, was vorgefallen ist. "Wir sind gleich da" ich beende das Gespräch erleichtert.

Auch er beruhigt sich jetzt schon etwas und wird für mich ansprechbar.

"Was ist passiert?" frage ich noch einmal nach, denn ich kann mir immer noch keinen Reim drauf machen, wie er sich so eine blutenden Wunde geschlagen hat.

"Er hat mich geschupst und dann bin ich von der Bank gefallen" sagt er und meint damit seinen Banknachbaren. Ich drehe mich um und sehe den anderen Jungen in Tränen aufgelöst. Er zittert am ganzen Leib. Seine Schuldgefühle haben ihn überwältigt. "Du kannst nichts dafür" beruhige ich ihn und denke dabei an die Provokationen des Jungen. Das sich die anderen dagegen wehren, kann ich verstehen.

Ich gehe zum Ende er Bank und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wo Er sich so sehr verletzt hat, das das Blut in Strömen aus deinem Kopf fließt.

Nachdem ich sagte, dass der Arzt unterwegs ist, beruhigte er sich schon etwas und sah sich mit abgesenkten Kopf die Blutlache vor der Bank an. Er fand, das da schon Blutklumpen dabei wären. Zum Glück, er war von seinen Aufschrei wieder zurück und nahm seine Umwelt wahr.

Noch einmal frage ich ihn, was passiert wäre und endlich bekomme ich eine komplette Antwort. Der Banknachbar hat ihn geschupst und als er von der Bank fiel, fiel sein Kopf gegen die scharfe Mauerkante einer ungenutzen Tür. Die Bank stand zur Hälte in dieser Tür.

Das íst in der Tat ein harter Schlag an den Kopf und ich nehme die Mauerecke unter die Lupe. Auf 1 m Höhe fehlt ein Stein, so das aus der Ecke eine Spitze wird. Jetzt geht mir endlich ein Licht auf und kann mir einen Reim auf eine derartige Verletzung machen. Er ist, als er von der Bank fiel, mit dem Hinterkopf gegen diese Steinspitze gefallen und hat sich auf diese Weise eine stark blutenden Platzwunde zugezogen.

Die anderen Kinder halten Ausschau nach dem Krankenwagen und sehen, wie der Wagen erstmal die Einfahrt verpaßt. Ich laufe zwischen den Kindern in der Halle und den Kindern vor der Halle hin und her. Er hat sich schon beruhigt und weint auch nicht mehr.

"Der Krankenwagen kommt" rufen die Kinder. Endlich, ich bin erleichtert. Die Sanitäter bringen ihn in den Krankenwagen und behandeln die Wunde, so gut es geht. Dann fahren sie mit ihm nach Haus und bringen ihn endlich zu seiner Mutti, nach der im Moment der Angst und Panik so laut geschrien hatte.

Die anderen Kinder stehen leichenblass um mich herum und wir besprechen, was und warum es passiert ist "Wer keine Grenzen akzeptiert und sie deshalb nicht kennt, dem setzt das Leben eine schmerzhafte Grenze"

Doch den Kindern Grenzen zu setzen, das verlangt viel Konsequenz und Ausdauer, und der Kampf um die Grenze ist mitunter zermürbend für die Eltern und leider haben oft die Kinder in diesem Kampf den längeren Atem.

Ich hoffe, Er hat gelernt und wird in Zukunft für mich und andere ansprechbar sein, wenn nicht, dann lauert das Unglück vielleicht schon an der nächsten Ecke...
LaWe

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