Samstag, 8. September 2007

Kleiner Mann zum Schnäppchenpreis ?

Wenn Gäste mein Bad betreten können sie sich kaum im Spiegel sehen. Das kommt nicht daher, weil der Spiegel so beschlagen oder ungeputzt ist, sondern weil er auf meine Körpergröße ausgerichtet wurde. Alle Spiegel in der Wohnung wurden auf meine 1,54 m Körpergröße ausgerichtet, damit ich mich besser sehen kann.

Dass ich in den Schulsportreihen immer an letzter Stelle stand - wir mußten uns immer von links nach rechts der Größe nach aufstellen - störte mich weiter nicht.

Aber ich bin eine Frau und nehme meine geringe Körpergröße nicht so tragisch, wie es vielleicht die Jungs bzw. Männer tun. Das wurde mir erst klar, als vor Jahren ein kleinwüchsiger Bekannter so nebenbei erzählte, er hätte sich mit seiner Körpergröße (1.65) abgefunden. Da erst erkannte ich, dass die Kleinwüchsigkeit für den Mann ein Lebensthema sein kann, mit dem er sich nur schwer aussöhnen können. Und wenn er unter einem ungelösten Problem innerlich schwer zu tragen hat, macht er für das Umfeld mitunter schwer nachvollziehbare Sachen, die andere dann als "Kleiner-Mann-Syndrom" bezeichnen.


"Ich habe Zeit und ich nehme mir Zeit und schnüffel im Discounter alle Regale nach Schnäppchen ab. Ich kenne das Sortiment und die alten Preise und wenn sie etwas auf die schnelle los werden wollen, dann senken sie drastisch die Preise. So beim schnöckern bemerke ich, dass mich jemand nicht nur ansieht, sondern auch anstrahlt und ich schaue, woher der strahlende Blick kommt.

Und richtig, er kommt direkt auf mich zu und geht mit einem freundlichen "Guten Tag" an mir vorbei. Er schaut mir dabei in die Augen, als würden wir uns aus alten Zeiten kennen. Obwohl wir auf Augenhöhe sind, hab ich das Gefühl, er schaut von unten zu mir hoch. Seine Augen sind wässrig blau. Sie könnten geweint haben. Aber ein Mann weit ja nicht und wenn, dann nur heimlich.

Ich grüße freundlich zurück "Guten Tag" gehe vorbei und versinke wieder in meine Schnäppchensuche, nicht ohne zu überlegen "Wer war denn das?". Dabei gehe ich das Register meiner Bekannten durch, die aus alten Zeiten und die aus neuen Zeiten. Aber er ist nicht dabei. Vielleicht hat er mich irgendwo gesehen oder erlebt, ohne dass er mir aufgefallen ist und beende damit mein Nachsinnen.

Mit meinem Einkauf ohne Schnäppchen stelle ich mich in die Kassenreihe. Da kommen die strahlenden wässrigblauen Augen zielsicher auf mich zu. Er will mit mir sprechen, deutlicher können die Zeichen nicht sein: "Entschuldigen sie, sind sie Karin ?" fragt er mich fast flüstern. Dabei neigt er sich näher zu mir rüber, seine Augen sind jetzt direkt vor meine Augen. Doch ich muß ihn enttäuschend. "Nein, ich bin nicht Karin". Seine Augen sehen enttäuscht aus und deshalb erzähle ich ihm, dass ich mir schon den Kopf zerbrochen hatte, woher ich ihn vielleicht kenne und dass ich aber zu dem Schluß kam, das ich einer Frau, die Karin heißt, wohl ähnlich sehe. Unsere Blicke verabschieden sich, es gibt nichts mehr zu sagen.

Nach dem kurzen Wortwechsel verläßt er ohne Einkauf den Discounter und ich warte noch darauf, dass ich von der Kassiererin abgebongt und abkassiert werde. Nach der Bezahlung hab ich den kleinen Mann schon vergessen, im Kopf bin ich schon in meiner Wohnung.

Nur noch den Einkaufwagen zurück stellen und nach Haus ist mein Streben. Doch am Ausgang sehen mich wieder die blau wässrigen Augen an. Er kann seine Unsicherheit jetzt nicht mehr verbergen, doch scheint er entschlossen, noch einmal mit mir ein Gespräch anzufangen. "Also wirklich, sie sehen aus, wie Karin" nimmt er das im Markt zurückgelassenen Gespräch wieder auf. "Ja, es soll ja Doppelgänger geben"antworte ich auf seine erneute Feststellung und nehme nebenbei meinen Chip aus dem Einkaufskorb. Der Einkauf ist in meinem Rucksack und mein Ziel die meine Wohnung.

Doch seine Augen entlassen mich noch nicht aus dem kurzen Gespräch. Er will noch etwas sagen und ringt nach den richtigen Worten. Obwohl auf Augenhöhe schaut er mich immer noch von unten nach oben an. Ich gebe ihm die Zeit für den nächsten Satz und sehe ihn erwartungsvoll an.

"Kann ich sie zu einem Kaffee einladen?" endlich ist es raus und er sieht mich voll Hoffnung an. Doch die fällt wie eine Seifenblase zusammen als ich ohne Umschweife antworte "Nein". Mit einem letzten Blick verabschiede ich mich und gehe mit meinem Einkauf heimwärts. Den Rückblick erspare ich mir.

Obwohl?

Ich hätte gern den Berater des kleinen Mannes gesehen, der ihm nach dieser Niederlage sicher neue Ratschläge für den nächsten Anlauf - einfach eine Frau an zusprechen- gibt.
LaWe

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