Freier Fall

Der unerwartete Tod eines Freundes. Ein erschütterndes Ereignis.

BildQuelle=http://www.triacon.chNach der ersten Bestürzung folgt ein Gefühl einer unendlichen Verlassenheit. Zeitgleich mit dem Eintreffen der Nachricht entzieht sich der vertraute Boden der Geborgenheit unter den Füßen. Ich fühle buchstäblich meinen Fall in die frisch ausgehobene Grube des Grabes, die für den Freund bestimmt ist.

Verschüttet unter dem Druck der Betroffenheit und der Fassungslosigkeit fühle ich mich unter meiner Ohnmacht dann schließlich lebendig begraben.

Von nun an fühle ich für ihn, was er nicht mehr zu fühlen kann.

Von nun an fragen ich für ihn, was er nicht mehr zu fragen kann.

“Warum?“

Aber weder Gott noch die Welt werden meine und seine Frage beantworten. Die Feststellung „Gestern war doch noch alles OK!“ bringt ebenfalls keine anderen Erkenntnisse.

Damit muß ich fassen lernen, was nicht zu fassen ist.

Die Zeit bleibt stehen, doch die Uhren gehen weiter. Sie ticken ohne Unterbrechung ihren monotonen Ton stets im selben Takt und tragen unberührt eine Sekunde zur der anderen.

Ich will, dass die Zeit nicht stehen bleibt.

Ich will, dass die Zeit sich wieder bewegt.

Ich will, dass die Zeit sich rückwärts dreht.

Ich will die heile Welt zurück.

Ich will, dass sie wieder herstellt, was sie mir vor kurzer Zeit genommen hat, den Freund.

Die Zeit ist eisern, lässt sich von ihrem Weg nicht abhalten.

Doch sie bietet mir an, die Wunde zu heilen. Nach dem Zusammenbruch meiner letzten Illusion ich ihr Angebot an. Als Gegenleistung erwartet sie von mir, dass ich mich abfinden, was ich nicht mal zu fassen glaube.

Ähnlich verlassen fühlte ich mich, wenn ich mich als Kind an einem Ort aufhielt, der mir fremd war. Dabei war es nicht das Unbekannte, was ich als mulmig empfand.

Ich fühlte etwas Fremdes neben mir, das nicht fassbar war. Schatten und ähnliches, diese Dinge gibt es in jeder Fantasien und dort blieben sie ungeachtet.

Das Fremde ist ein selbsternannter Begleiter, der in einem Monolog behauptete, er gehöre zu mir, wäre ein Teil von mir, der Teil, den ich noch kennen lernen werde. Seine imaginäre Gegenwart strömte Unbehaglichkeit aus und dann verschwand es wieder.

Vielleicht war es seine Aufgabe, starke Empfindungen in mir zu erzeugen. Vermutlich gibt es für auch die Sinneseindrücke so etwas wie ein Regenmacher. Sie sorgen mit Knopfdruck dafür, dass durchdringende Sinnesreize in Umlauf gebracht werden.
Warum sonst würde er sich in Situationen einloggen, die für ihn heikel sind. Sie machen ihm den Mund wässrig und beleben seine Fantasie zusätzlich.

Dann flößte er mir Angst ein, obwohl ich keinen Grund sah, der beängstigend war.
Ein andermal lies er eine Lichtquelle gespenstisch erscheinen und die Welt in einem eiskalten Licht untergehen. Ein weiteres Mal überhäufte er mich mit dem Gefühl einer bedrückenden Einsamkeit. Er konnte den Boden unter meinen Füßen schwanken oder auch versinken lassen. Er lieferte mich den irritierenden Indizien chancenlos aus und konnte mich so für eine fremde Schuld büßen lassen.

So hielt das unbekannte Fremde neben mir eine Gefühlspalette in seiner Hand und war damit jederzeit bereit in mein Leben einzugreifen.

Die Verlassenheit schient ihm ein geeignetes Spielfeld für sein geliebtes Instrument zu sein. Er setze sich unauffällig neben meinen Platz, auf dem mein Freund saß. Nach wenigen Augenblicken floß er mit ihm zusammen und ich konnte sie nicht mehr unterscheiden. Mein Freund und das Fremde waren jetzt eine Person.

BildQuelle=http://www.odins-gift.comDie Gegend, in der wir unsaufhalten, ist kahl und doch unübersichtlich. Nichts vom dem, was ich sehe, weist Menschenhände hin. Auch sehe ich nicht die Hand der Natur. Alles ist untypisch und unbekannt. Alles macht einen schaurigen Eindruck auf mich. Das Gefühl ist schwer zu beschreiben. Ich kann mich nicht zurechtfinden und fühle michwie in einem Fahrstuhl. Der Zeiger auf dem Geschwindigkeitsmesser stiegt auf 200 und doch, der der Fahrstuhl und die Zeit scheinen still zu stehen. Im Überholtempo habe ich das Gefühl, ich bewege mich auf der Stelle.

Und wieder einmal wurde mir bewusst, die Zeiten sind nicht auf Ewig haltbar....


LaWe

Trackback URL:
https://langeweile.twoday.net/stories/1346033/modTrackback

In den Wind geschrieben

hat Tränen aus dem Haus getrieben

alles muss raus

vermüllt bis zum...
Als braver Bürger trenne ich den Müll sorgsam, so wie...
Lange-Weile - 20. Aug, 13:27
Nostalgische Erinnerung
Als ich Federhalter, Feder sowie das kleine Tintenfass...
Lange-Weile - 14. Aug, 14:25
Für alle Sushi Friends
Beeindruckender Film, auf jeden Fall sehenswert. Hat...
sushi-friends - 11. Apr, 14:40
Hallo Lo.
..ja ich denke, er hätte sich gefreut, auch wenn mein...
Lange-Weile - 20. Aug, 08:50
Ein schöner Nachruf...
Ein schöner Nachruf...
Lo - 19. Aug, 12:46

Das Neuste von

Hallo ;-)

meine Randbemerkungen

Achja...
das wusste ich gar nicht. Diese Art feinsinnigen Humor...
abendGLUECK - 5. Mai, 09:48
wie makaber ;-) Bei...
wie makaber ;-) Bei uns wurde es ähnlich, aber anders...
abendGLUECK - 4. Mai, 08:13
Gegenmittel
Hallo Bo., gestern las ich über eine amerikanische...
abendGLUECK - 25. Apr, 11:03

Abendstimmung

Suche

 

Wer bist du?

Online seit 6739 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Albtraum
Alter Schwede
Betrachtung
Experiment
Fragen
Glücksliste
Kurzmitteilung
Musik
Nachklang
Rätsel
Spaß Ecke
Stadtbilder
Stöckchen
Tage im Fluss
Traumzeit
Witzecke
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren