Rückschau

Verlockungen haben immer die selben Merkmale. Ihre Anziehung ist magisch und hat ihr Sog einem in ihren Bann gezogen, dann entpuppt sie sich als Narrengold mit viel Glanz und nichts von dem, was die Verlockung versprach, stellt sich ein.

Als ich vor-zig Jahren nach Rostock zog, glaube ich eine Auserwählte zu sein. Ich, die kleine Frau, lässt das enge Dorfleben hinter sich und zieht in die große große Stadt. Doch unendlich hart erlebte ich den Wechsel vom Dorf- ins Stadtleben. Das Sache mit der Auserwählten verwandelte sich in eine Verbannte, vom Leben plötzlich isoliert. Ich fühlte mich unter tausenden Menschen so was von allein und einsam, dass es mich fast schon körperlich schmerzte. Ich fragte mich :”Was hast du verbrochen?” 10 Jahre sollten noch vergehen, bevor ich mich in Rostock heimisch fühlte. Doch mein Wurzelwerk, dass mich im Leben erdet, ist zweigeteilt. Die Stammwurzel steckt immer noch im Boden meines Heimatdorfes und mein Herz im Elternhaus.

Mein Vater erbaute das Haus in den 50iger Jahren. Abenteuerlich die Materialbeschaffung in der Nachkriegszeit. Aus allen Ecken der Insel Rügen schleppte mein Vater das Baumaterial herbei. Heut ist neue Eigentümerin des Hauses meine Nichte. Damit bleibt das Haus in der Familie. Ein Familienfest brachte mich nach Jahren wieder ins Heimatdorf zurück.

Das gegenüberliegende alte brüchige Gutshaus ist noch brüchiger geworden. Angeblich soll es jemand gekauft haben um es weiter verrotten zu lassen.

Viele Jahre war dies ein Schulgebäude. Die Decken der Schulräume waren mit Stuckarbeiten verziert und in den großen Klassenräumen wurden 2 Jahrgänge in einem unterrichtet. Aus heutiger Sicht fand ich das gar nicht so schlecht. Ich lernte damals, mich auch unter Ablenkungen zu konzentrieren. Denn während eine Klasse die sogenannte “Stillarbeit” machte, wurde die andere unterrichtet. In der unteren Klasse konnte ich schon etwas von dem Lehrstoff der höheren Klasse aufschnappen und in der höheren Klasse die Wiederholung des Vorjahres. Der 2-Klassenunterreicht war jedoch nur aus der Lehrer-Not geboren. Die alten Nazi-Lehrer wollte man nicht mehr haben und neue Lehrer mussten erst ausgebildet werden.

Alte verlassene Häuser stehen neben Neubauten. Dies hier ist die alte Schmiede des Dorfes und war mit einem Wohnhaus verbunden. Dort bekamen u.a.die Pferde ihre neuen Hufeiesen. Ich erinnere mich an dem Hammer, der laut auf das glühende Eisen schlug und das Zischen, wenn das glühende Eisen ins kalte Wasser gehalten wurde und an den Brandgeruch, wenn das noch heiße Hufeisen an die Pferdehufe angepasst wurde.Es brannte sich in die Hufe ein. Damals fragte ich mich, warum die Pferde dabei selenruhig blieben und nicht scheuend davon liefen. Die Schmiede betrieb ein Ehepaar, die ihr einziges Kind verloren hatten. Wahrscheinlich waren sie in ewiger Trauer. Er verstarb an Krebs und sie lag eines Tages tot vor ihrem Bett. In ihrem Haushalt fand man hunderte von Tabletten.

Heut hat ein älteres Ehepaar dieses brüchige Gebäude gekauft. Sie leben zur Zeit in Dubai und wird es ab 2013 oder 2014 in Eigenleistung umbauen. Man darf gespannt sein.

Aus den sandigen Straßen und Wegen wurde versteinerter Untergrund. Dies ist der Weg zum Friedhof, auf dem meine Eltern und meine Schwester ihre letzte Ruhe fanden.

Innerhalb von von 7 Jahren verstarben 3 von 6 Familienmitgliedern. Wir waren wie ausgebrannt. Mein jüngste Schwester (auf dem oberen Bild zu sehen)  und ich, wir fuhren immer zusammen Richtung Heimat, um am Sterbenett unserer Angehörigen zu stehen. Uns verbindet nicht nur die Familienbande, sondern auch die traurigen und dramatischen Ereignisse von damals. Denke ich daran zurück, drückt die unausweichliche Härte von damals noch immer mein Herz zusammen.

Hier wurde die Kirche im Dorf gelassen. Sie steht auf einer Anhöhe und ist von überall zu sehen. Ob die Kirchenglocken wie damals noch zu hören sind, weiß ich nicht mehr. Aber damals hörte man sie zum Gottesdienst, oder wenn jemand zu Grabe getragen wurde oder wenn ein Paar in der Kirche den Bund der Ehe einging.

 

Auf diesem alten Bild sieht man die Hochzeitsgäste aus der Kirche kommen. Ganz links meine Eltern, noch als junges Paar zu sehen.

Viele Menschen verließen das Dorf um in die Fremde zu ziehen, wie ich. Andere wieder blieben und gehören heute zum alten Eisen und Dorfleben dazu, wie die alten Häuser und Gemäuer. Einer von ihnen ist Charly…..über den ich morgen schreiben werde.

LaWe

bonanzaMARGOT - 10. Jul, 13:08

hallo lawe, schöne einblicke in deine aufgefrischten erinnerungen an deine heimat.
ich denke manchmal noch gern an meine fahrradreise nach rügen. ich fuhr eine woche rund um diese schöne insel und sah sehr viel, was dem auf den photos gezeigten ähnelt.
die großstadt mag ich nicht so sehr, obwohl man sich auch an sie gewöhnen kann. und dörfer sind mir zu klein, zu kleinkrämerisch. am liebsten lebe ich in mittelgroßen städten wie z.b. stralsund oder ein paar kilometer entfernt von der großstadt, so dass ich aber bei bedarf leicht dort hinkomme. es geht dabei nicht nur ums einkaufen sondern hauptsächlich um das kulturelle angebot wie kino, theater, konzerte, kneipen ...

Lange-Weile - 10. Jul, 16:45

voller Leben und Ausklang

Hallo Bo.,

noch heute kommt mir das kleine Dorf wie eine Goßstadt vor. Das hat sicher was damit zu tun, weil ich es als Kind erlebte und die Wahrnehmung eine andere war. Heut wüde es mir bestimmt schwer fallen, wieder in das Dorfleben zurück zu finden. Das mag daran liegen, dass die Menschen sich auch in den Dörferns zurück gezogen haben. Die Häuser sind zwar schöner geworden, aber Menschen sieht man kaum noch.

Das klassische Dorfleben, so wie ich es kenne, strotzte vor Lebendigkeit. Wenn ich im Sommer morgens aufwachte, hörte ich Hunde bellen, das Hühnervolk gackerte auf dem Hof, ein Hahn krähte, Schweine quietschten von irgend wo her, ebenso die Kühe, die auf einer Weide waren.
Traktoren fuhren auf den Straßen, ja sogar Holzsägen war ein Geräusch, was man sehr häufig wahr nahm und über allem hörte man die Kirchenglocken.

Kein Wunder, dass ich während der Umgewöhnungsphase vom Land- ins Stadtleben körperliche (aus der seelischen Ebene heraus) Schmerzen empfand.

So ein Kleinstadtleben wäre auch nicht für mich. Da fände ich Städte im Fomat von Stralsund auch besser. Alles noch überschaubar, Menschen kennen und erleben sich. Sehr viel haben eine gemeinsame Vergangen, die sie mit der Stadt verbindet. Ud doch denke, ich, dass sich auch in diesen Städten das Zusammenleben der Menschen geändert hat.

Ich drücke dir für deine Eltern meine Daumen. Ich kenne diese Situationen, wie du sie geschildert hast, nur zu gut. Es schoß mit jedes mal ein schwerer Blitz in die Magengrube. Doch mit jedem Einsatz wurde ich daran erinnert, dass ich irgendwann nicht mehr gerufen werde.

LG LaWe

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