Sie ist nicht mehr die Jüngste aber ehrgeizig: Sie will am liebsten alle Übungen im vollem Umfang mitmachen. Manchmal schießt sie dabei sogar über das Ziel hinaus. “Teil deine Kräfte ein und benutze nur die Muskeln, die du für die Bewegung brauchst” rate ich ihr, als sie statt nur die Hände zu schwingen zeitgelich auch den Kopf mitschwingen lässt, so als würde sie permanent heftig nicken. Beim Yoga kommt es auf jeden Muskeln an..ihn für die Haltungen die richtige Position zu bringen, bzw. sie nur in einer sanften Muskelkontraktion zu halten . Wenn die Muskeln nicht ausreichend gestärkt sind, ist eine Hilfestellung angebracht.
“oh jahh ..das tut guuut” sage sie, als ich unterstützend an ihren Bein nach hinten zog. Damit entfällt die Haltearbeit für den unteren Rücken und dieser kann nun dehnend in eine leichte Rückbeuge geführt werden. Bei der Wiederholung mit dem anderen Bein, die selbe Resonanz. “Ohhh..jahhh..das tut gut” Sie genießt die Haltung.
Doch der Genuss sollte nicht lange anhalten. Wenig später kann sie sich kaum bewegen, weder vor und zurück. Das sind die Momente, die ich als Yogalehrer lieber nicht erleben möchte. Zum Glück ist diese Teilnehmerin nicht ängstlich “Das wird schon wieder” beruhigt sie mich, denn mein sorgenvoller Blick war nicht zu übersehen. Ich versuche sie aus der momentanen Starre zu befreien, doch sie ist steif, kann mich mal mehr das, was sie vor der Übung noch salopp konnte. “Leg dir eine Wärmflasche in den Rücken, wenn du zu Hause bist” rate ich ihr “Und wenn es nicht besser wird, gehe zu deinem Hausarzt”
Ich erinnere mich an ähnliche Ereignisse nach meinen Yogaübungen. in mir. Besonders beeindruckend für mich war, dass ich für einen Moment meine Beine mehr spürte…sie verschwanden ins Nichts und ich lag am Boden. “Was nun? Bin ich gelähmt” Ängstliche Fragen durchrauschen wie ein aufbrausender Wind meine Gedankenwelt, während ich am Boden lag und scheinbar vom Bauchnabel abwärts kein Gefühl mehr hatte. “Also so fühlt es sich an, wenn ein Mensch Querschnittsgelähmt ist” Da ist nichts mehr..nur noch die körperliche Hülle des Unterkörpers, von der man nicht weiß, zu wem sie gehört. Das eigene Gehirn kann keinen Muskel mehr ansprechen. Wenig später war der Albtraum vorbei und meine Beine wieder da. Ich stelle mich auf den Balkon und dankte Gott im Himmel, dass er mir meine Unterkörper wieder zurück gab. Ich bin nicht gläubig, aber in außergewöhnlichen Momenten wie diesen, war der Glaube auch für mich vorhanden. Mein Herz schlug noch ängstlich, aber ruhig, der Kreislauf kann es also nicht gewesen sein.
Am nächsten Tag rufe ich die Teilnehmerin zu Hause an..”Es tut noch weh, aber es geht, ich halte es aus” Da klingt für mich nicht beruhigend und fühle mich verantwortlich. “Wenn ich laufe. ist alles weg” sagt sie. “Also gehe ich jetzt mit meinen Mann spazieren” “OK, das ist gut, aber wenn´s nicht besser wird, bitte zum Arzt gehen” sie verspricht es mir.
Am Samstag kam folgende Mail von ihr:
Liebe I…,
ich muss Dir unbedingt mitteilen, dass es mir wieder gut geht. So plötzlich wie dieser Schmerz kam, so plötzlich war ich ihn wieder los. Wie ein Wunder kam es mir vor, zumal ich schon gedanklich am Montag bei meiner Orthopädin war. Es gibt sie eben diese Wunder, man muss nur zuversichtlich sein und fest daran glauben. So scheint es jedenfalls! Ich bin beweglicher als vorher. Es tut mir leid, dass ich Dir Sorgen gemacht habe, liebe I. Ich bin Dir dankbar für jede Yogastunde, die Du so wunderbar gestaltest, mit Humor und vollkommen locker. So denken auch Deine anderen" Mädels".
Dir wünsche ich ein schönes Wochenende!
Lass Dich herzlich grüßen von G.
Nun kann ich mich wieder entspannt zurück lehnen.
Es kommt mitunter bei Yogaübungen zu chiropraktischen Vorgängen im Körper, die sich anfangs schmerzhaft anfühlen, weil das Umfeld noch unter Spannungen steht. Haben diese sich verflüchtigt, kommt die alte oder eine bessere Beweglichkeit wieder zurück.
LaWe