Freitag, 28. Juni 2013

der Sockelheld

So muss sich ein Nackenbiss anfühlen, wenn eine Löwenmutter ihr Junges im Nacken packt um es an seinen Platz zu tragen. Der Schmerz im Nacken strahlt bis in die Haarwurzeln und löst eine Starre im Körper aus, der nun schlaff im Mau der Löwin hängt. Noch benommen vom Schmerz in meinem Kopf erwache ich viel zu früh aus meinem Schlaf. Ich bin fühle mich genau so als hätte eine Löwin mich in ihrem Maul und trüge meinen erstarrten Körper auf einen anderen Platz. Schwerfällig erhebe ich meinen Kopf und platziere ihn an das Fußende meines Bettes und schlafe weiter. Den Kopfschmerz wegschlafen, bevor es hell wird. Mit dem Schlafen fallen aber nun die Träume über mich her.

Der vollbesetzte Bus, in dem ich im Traum sitze, ist schon auf Reisen, an einen Ort, auf den ich mich freue. Ich habe Reisefieber und will diese freudige Erwartung auf den fremden Ort mit jemanden teilen. Von den Mitreisenden ist jedoch niemand dabei, den ich kenne oder mit dem ich meine Freude teilen wollte. Alle sitzen ganz artig und gelangweilt auf ihren Plätzen. Der Bus sieht perfekt aus, die Menschen sehen gelangweilt aus, ich will raus. Ich mag diese perfekte Welt nicht, sie langweilt mich. Nichts wie raus hier. Die nächste Haltestelle wird mein Ausstieg ohne Rückkehr in den Bus, er fährt ohne mich weiter. Mit der Gewissheit, dass ich jemand dort treffe, mit dem ich die Freude teilen kann, strebe ich auf den fremden Ort zu. Ich sollte dort jemand treffen und mit ihm gemeinsam weiter reisen, den ich mir im Traum nicht vorstellen kann. Doch der Jemand ist nicht mehr da, hat sich selber schon auf den Weg gemacht. Er kannte meine Absicht mit ihm zu reisen nicht – woher denn auch. Hilfsbereite Menschen wollen mich mit auf ihren Weg nehmen, der dem Jemand folgt. Ich bin froh, nicht auf der Strecke zu bleiben und reise mit den Fremden.

Schnitt und Szenenwechsel

Ein große Feierrunde sitzt am Tisch und ich mitten unter ihnen. Achja..so zwischen lustigen Gesellen fühlte ich mich immer wohl und gut aufgehoben. Alle sind in bester Stimmung und gesellig miteinander. Doch niemand bemerkt mich in ihrer Runde, so als wäre ich gar nicht da. Alle kommunizieren miteinander und niemand mit mir. Doch nein, mir gegenüber, auf der anderen Stirnseite des Tisches sitzt ein Paar, dass nur mit sich beschäftig ist. Sie sitzen hinter Glas und kommunizieren heftig miteinander. Ich verstehe kein Wort, doch gute Worte werden zwischen ihnen nicht ausgetauscht. Es ist eine stumme Kommunikation, die über Blicke, Gestik und Körpersprache läuft. Das Glas, hinter dem das Paar sitzt ist wie ein Fenster, durch das man in die Zimmer der Menschen schauen kann und nicht nur das, es vergrößert derart, dass ich glaube, mein Augen verhalten sich wie eine Kamera, die das Bild zoomt, so das ich meine Nase fast an dem Glas glaube. Und was ich jetzt ganz nah sehe, das glaube ich nicht. Die Frau, die wortlos kommuniziert, bin ich. Ich schaue mir selber zu, wie ich den Mann an meiner Seite erwartungsvoll ansehe. Vielleicht erwarte ich von ihm eine Zirkusnummer oder will ich ein Husarenstück sehen ? Ich weiß es nicht. Aber auf jeden Fall erwarte ich etwas, was mit begeistern und hinreißen soll. Was ich als Zuschauer aus Distanz sehe ist, das  der Mann sich sie größte Mühe gibt.Er zeigt Verrenkungen, doch einen anerkennenden Blick von mir erntet er nicht. Seine Verrenkungen werden größer und weiter, aber er verändert sie nicht,  meine enttäuschenden Blicke werden deshalb deutlicher. Er will mich auf seine Weise beeindrucken und gewinnen und ich will ihn mit meinen Augen sehen, diese aber warten auf eine anderen Verrenkung. Er verrenkt sich bei seinen eigenen ausladenden Verrenkungen. Er schäumt dabei vor Wut über. Der Schaum hüllt beide ein, sie können sich nun nicht mehr sehen. Die Scheibbe ist ein Glaskasten, der aufgestaute Schaum bringt alles zum Platzen, der Glaskasten fliegt in die Luft und als  Schaum und Trümmerteile sich wieder gelegt hatten, war niemand mehr da. Nur noch ich, der Außenseiter der Feiergemeinde  und stiller Beobachter meiner zersprungenen Partnerschaft.

Erwachen aus dem Traum und dem Schlaf mit schwerem Kopfschmerz, der nicht enden will. Eine Löwin hält mich noch am Nacken und am Boden. Mit einer Kopfschmerztablette will ich den Schmerz abkürzen, umgehen und aus der Welt schaffen. Die Tablette muss nur noch wirken, doch das Tageslicht ist noch unerträglich, der Rückzug in meine Höhle unumgänglich.

Halb im Schlaf oder nicht ganz wach arbeitet mein Hirn auf Hochtouren. Es arbeitet nicht nur, es bearbeitet alles mögliche und nutzlose was im Kopf schwirrt. Mein Kopf  fühlt sich heut wie der Planet Erde an, um dessen Orbit der seid Jahren angesammelte Weltraumschrott kreist. Alle Trümmerteile meines Lebens rauschen an meinen Augen vorbei, kaum gesehen, schon wieder weg, bis auf ein Trümmerteil, ein Sockel, der schwebt in Zeitlupe und hält sich vor meinen Augen. Wenn ich die Augen nicht verschließen will, muss ich ihn ansehen, denn er hängt schon fast vor meiner Nase, seine körperliche Nähe erdrückt mich fast. Der Sockel dreht sich freischwebend vor meinen Augen, ich kann seine Aufschrift lesen: “Mein Held”. Wenn da je ein Held drauf gestanden hat und das auch mein Held sein sollte, das ist er nicht mehr da.

Wo ist mein Held?

Ist er geflüchtet ? 

Ist er weg gelaufen?

Ist er vom Sockel gestoßen worden?

War der Sockel schon mal besetzt und niemand anderes durfte ihn einnehmen?

Das war die große Frage, wahrscheinlich trifft diese Frage sogar den Nabel meiner Welt.

Unbewusst beschäftigte mich diese Fragen schon seid Wochen. Sie tauchte in meinem Kopf nach dem Besuch bei meinem Exmann auf. Vor –zig Jahren wurden wir geschieden. Er verstand mich nicht, ich verstand ihn nicht. Er war ein Einzelgänger, ich ein geselliger Typ. Er war immer etwas brummig und ich die Freundlichkeit in Person. Er war immer streitlustig und ich suchte nach Harmonie. Er hatte einen guten Kern unter einer rauen Schale, ich führte die Sanftmut aus, war grün hinter den Ohren und kannte mich selber noch gar nicht. Mein Opa sagte damals. als alles anfing und er den angehenden Mann seiner Enkeltochter sah: “De mogt Ir..doch kaputt”  - in hochdeutsch: Der mach Ir… doch kaputt”. Er sollte Recht behalten, ober vielleicht nicht so ganz, denn bevor ich zerbrach, machte ich mich aus dem Staub.

-zig Jahre nach unserer dramatischen Trennung saßen wir wieder mal am gemeinsam am Tisch und sahen uns alte Bilder an. Er hatte sie für mich aussortiert, es waren Bilder unserer gemeinsamen Zeit, damals, als wir noch jung waren, das Leben noch vor uns hatten, die Weichen für ein gemeinsames Leben noch in den Händen hatten. Unsere Gesichter auf den Bildern waren noch Faltenfrei, die Haare waren voll und noch kein bisschen angegraut. Damals waren wir verbissen und konnten den Klammergriff von der eigenen Seele nicht mehr lösen. Nach –zig Jahren haben sich auch die Trümmerteiler der explodierten Ehe wieder gelegt und ich sah das erste mal in ihn den Mann, der er wahrscheinlich für mich immer sein wollte. “Mein Held” Aber alles was er damals tat, um auf dem unsichtbaren Sockel “Mein Held” zu kommen machte mir Angst und dass machte ihn wütend und verbittert. Und wenn er schon den Platz auf dem Sockel: “Mein Held” nicht einnehmen konnte, so sollte diesen Platz auch niemand anders einnehmen und so vertrieb er voll Wut immer noch überschäumend erfolgreich einen anderen Bewerber auf Nimmerwiedersehen.

So langsam löst sich nun auch der Nackengriff von meinem Nacken. Ich habe meine Rolle in dem Trauerspiel zwischen Mann und Frau erkannt und akzeptiert. Mein Hang dazu, jemand auf den Sockel stellen zu wollten, muss nicht immer zum besten Ende führen.

LaWe

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