Montag, 7. Juli 2008

Altersflecken

Ein dicker Wälzer, der neben mir liegt, soll mir die langen Straßenbahnfahrten durch meine Stadt verkürzen. Und da ist ein Thiller genau das richtige, in der Spannung und im Thempo zügig zu lesen.

Die Hauptfigur - Ambler - ist ein Agent mit einer außergewöhnlichen Fähigkeit, in Menschen zu lesen. Um dies für den Leser unter Beweis zu stellen, präsentiert der Schrifsteller diese außergewöhnliche Fähigkeit mit der Beschreibungen einer zufälligen Personen, die in der Handlung wie im Leben spurlos an einem vorbei laufen.

Mit einem einzigen Blick registriert er den hastigen Schritt einer Frau Anfang sechzig mit pfirsichbloden Haar und großen vergoldeten Ohrringen. Sie trug einen seitlich hochgesteckten dunkelblauen Faltenrock unter einem offenen, karierten Mantel. Die Griffe einer Kunsttstofftasche von Ann Tyler umklammerte eine Hand mit Alterflecken.

Sie hatte Stunden gebraucht, um sich für das Ausgehen zurecht zumachen, und ausgehen bedeutete einkaufen.

Kummervolle Einsamkeit lag auf ihren Zügen; die Regentropfen auf ihren Wängen hätten auch Tränen sein können. Sie war kinderlos, vermutete Ambler, und vielleicht trauerte sie auch deswegen.

In ihrer Vergangenheit hattes es zweifellos einen Ehemann gegeben, der sie hätte ergänzen können und ihr Leben hätte vollständig hätte machen sollen, einen Ehemann, der - vor zehn Jahren? vor fünfzehn? - unruhig geworden war und sich eine Jüngere, Frischere gesucht hatte, damit sie ihn ergänzte und sein Leben vollständig machte.

Jetzt sammelt sie Kundenkarten exklusiver Geschäfte und traf sich mit Leuten zum Tee und spielte Rubber am Bridgetisch, aber vielleicht nicht so oft, wie sie gewollt hätte; Ambler spürte eine große Enttäuschung gegenüber ihren Mitmenschen. Sie ahnte vermutlich, dass ihre Traurigkeit die anderen unterschwellig abstieß; sie waren zu beschäftigt, um sich um sie zu kümmern, und ihre Einsamkeit verstärkte ihre Traurigkeit noch mehr, so dass ihre Gesellschaft noch weniger gesucht wurde.

Und so verlegte sie sich aufs Einkaufen, kaufte Sachen, die zu jugendlich für sie waren, und war stets auf der Suche nach Schnäppchen, die selten teurer aussahen, als sie gewesen waren......

Auszug aus Die Ambler Warung von Rober Ludlum

Ich fand die Beobachtung und Betrachtung einer verlorenen Seele im Alter erschreckend deprimierend und wahr.

LaWe

In den Wind geschrieben

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