Mittwoch, 20. Februar 2008

Bei Anruf "Gewonnen...

"gewonnen, gewonnen, gewonnen" tönt mir schwungvoll eine geschulte Stimme wie ein Mantra entgegen. "Bitte nicht auflegen, sie haben gewonnen, gewonnen, gewonnen". Doch ich weiß, wenn ich jetzt nicht gleich auflege, habe ich eher Arschkarte gewonnen und auf die gut verzichten. Aber der Anruf galt nicht mir, sondern meinem Vater, der leider zu dem Zeitpunkt nicht mehr lebte. Er hatte bei einem Glücksspiel Telefonnummer angeben und auf diese Weise landete er im großen Pool der Datenstämme, die für die zahlreichen Call-Center in Deutschland Bares bedeuten.

Die geschulte Stimme mit "Gewonnen, gewonnen, .."hat etwas von einer Konserve und das ist neu. Jetzt werden die Anlaufgespräche nicht durch den Callcenter-Agent persönlich gemacht, sondern man schickt als Vorhut eine Konservenstimme.

In der Zeit, als Günter Wallraff sich als Undercover in die Call-Center einschlich um sich die Mechanismen genauer anzusehen, gab es die automatisiertn Anrufer sicher noch nicht.

Gestern abend bei Phönix gab es den Bericht darüber noch einmal "Bei Anruf Abzocke" und was er da zu berichten hatte, konnte ich bei jedem Wort unterschreiben.

Auch ich sah mir für ein paar Monate als Callcenter-Agent die Masche der Lottoscheinverkaufskunst an.Vorgefertige Texte und der Auftrag, wenn der Kunde nicht sofort auflegt, ihn von oben bis unten zuzuquatschen und das ganze nur mit einem einzigen Ziel - die Kontodaten des Angerufenen zu erhalten.

Es war schon ein schwerer Kampf, den Angefufenen an das Auflegen zu hindern, noch schwieriger war es, an seine Bankdaten zu kommen. War ich an den Punkt angekommen, stieg augenblicklich eine düstere knisterne Wolke über das Gespräch, das bis dahin vielleicht noch ganz unbelastet war. Da halfen auch die vielen Versprechen mit Aussichten auf hohe Gewinnschancen nicht. Sehr häufig stiegen die Angerufenen an diesem Punkt aus.

Das kostete nicht nur Kraft und schlauchte an meine Energie, das nagte auch an mein Skrupel, die sich mit keinem der eigens dafür zusammengezimmerten Gegenargumente "Wenn ich das Geschäft nicht mache, machen es andere" nicht.

Und nicht nur mein Gegenargument hielt dem Verkaufsdruck nicht stand. Ich warf das Handtuch, als der Chef des Callcenters mir fast ins Genick sprang, weil ich auf den Rückweg von meinem Toilettengang mit einer Mitarbeiterin ein paar Worte wechselte.

Ich beschloß, lieber zu verhungern, als mich dafür noch einmal mit dem Telefon in der Hand dem Menschen das Geld aus den Taschen zu locken.

PS: 14 Tage später - ich war wieder in der Wohnung, tönte mir ein ähnlicher automatischer Anrufe in meine Ohr "Legen sie bitte nicht auf, sie haben gewonnen"

Günter Wallraff nannte die Call-Center
Bergwerke der Neuzeit

Ein Call-Centeragent führte für die Zeit seiner Tätigkeit einen Blog, den man hier nachlesen kann.
LaWe

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