Donnerstag, 29. Dezember 2005

Tief-Druck

Grüß dich alter Schwede,

es schneit heut wie verrückt und die Landschaft sieht wieder einmal bezaubernd aus. Die Ruhe, die Stille der Stadt und die quirligen Kinder und quitschenden Hunde im Schnee. Ein schöner Anblick, wenn ich aus dem Fenster schau.

Kommst du zu mir, um mir von der schönen Winterlandschaft zu erzählen?

Ja und nein. Es ist einfach schön, der Anblick, der Schee auf den Bäumen. Der Schnee ist noch weiß und unbefleckt und er schluckt den Lärm der Großstadt.
Ob im Kopf meiner Schwester jetzt auch so eine Ruhe herrscht?

Das weiß ich nicht. Aber warum fragst du mich das?

Genau heut vor einer Woche fiel sie in einen für uns unbekannten Dämmerzustand. In der Nacht und im Schlaf hatte sie der Schlag getroffen. Nun ist sie für die Familie körperlich noch da, aber ihr Geist liegt unter einer meterdicken Schneedecke.

Macht dich das traurig?

Mein Aufschrei steckt mir noch im Halse fest und ich fühle mich neben der unendlichen Ohnmacht beinahe gefühlstaub. Ich kann kaum in Worte fassen, was mich schon sein ein paar Tagen bewegt.

Magst du einen Versuch machen, einfach versuchen,
mir zu erzählen, was dich bei den Gedanken deiner Schwester beschäftigt?

Im Grunde fühle ich mich wie meine Schwester. Eine Ohnmacht breitet sich wie ein schwere und schon lange ausgediente Decke über mich aus.
Ich liege unter der Decke und kann durch sie meine Schwester weder hören noch sehen. Ich wünsche mir von Herzen, dass sie uns noch bleibt und ich wünsche mir für sie von Herzen, dass ihre Qualen so schnell wie möglich ein Ende haben.

Von welchen Qualen sprichst du?

Schon seit 3 Jahren muß sie sich mit dem Tod ernsthaft auseinander setzten. Damals stand ich neben ihr, als der Arzt ihr sagte: "Wenn sie eine Theraphie machen, dann können sie für immer geheilt sein". Der Arzt lies sie mit der Hoffnung nicht darüber im Unwissen, dass sie Theraphie lebensgefährlich ist.

Und hat sie die Theraphie gemacht?

Ja, sie hat eine gemacht und die harte Nummer überlebt. Was von meiner Schwester blieb, war ein Knochengerüst mit Haut drum herum. Und, obwohl die Kraft auf der Strecke blieb, die Hoffnung auf Besserung hielt an ihr fest. Meine Schwester und die Familie, wir alle hielten sich an der Hoffnung fest.

Doch täglich wurde die Hoffnung hoffnungsloser. Der Zerfall ihres Körper lies sich ums Verrecken nicht aufhalten. Kaum erholte sich meine Schwester und stand wieder auf ihren Beinen, kam ein Donnerschlag und haute ihr die Beine unter dem Hintern wieder weg.

Was meinst du mit Donnerschlag?

Das sind Ereignisse, die sie immer zum Stillstand und Rückschlag ihrer Genesung zwangen. Und sie traten immer dann ein, wenn sie sich grade aus dem Krankenbett erheben und wieder am Familienleben teilnehmen wollte. Dazu gehören unter vielen ähnlichen Ereignissen auch ein Knochenbruch am Hüftgelenk auf offener Straße. Das künstliche Hüftgelenk sollte ihr wieder eine neue Chance geben am Familienleben teil zu haben.

Hat deine Schwester die Chance nutzen können?

Ja, mühsam und Kräfte zährend stellte sie sich wieder auf die Beine. Aber dann trafen zwei schlechte Nachrichten ein, die sie wohl in die Knie zwangen.

Nachrichten?

In der Regel rief ich von Zeit zu Zeit meine Schwester an, erkundigte mich nach ihrem Befinden und dann plauschten noch ein bißchen miteinander. Meine Schwester hatte schon immer einen interssierten Geist und so erschöpften sich unsere Gesprächsthemen nie.
Aber als die schlechten Nachrichten bei ihr eintrafen, rief meine Schwester bei mir an.
"Die Krankheit ist wieder zurückgekehrt" sagte sie mir mit fester Stimme. "Wie geht es dir damit?" fragte ich zurück und verdrängte jeden Gedanken an die Konsequnez der Rückkehr. "Ich stehe unter Schock" antwortete sie mir.

Und die andere Nachricht?

Die letzte Nachricht liegt nur ein paar Wochen zurück und betraf ihre Nachbarin, die ebenfalls schwer erkrankt war. Wieder im fester Stimme am Telefon hörte ich meine Schwester sagen: "Ich will dir nur sagen, dass K.... gestern eingeschlafen ist" Ich wußte, dass die Nachbarin eine Freundin von ihr war und ich wußte, dass der Kampf, in dem sie beide steckten, sie miteinander verband. Wieder stellte ich meiner Schwester die Frage: "Wie geht es dir damit?" "Ich fühle mich jetzt so allein gelassen" Bei dem Satz lief mir ein Schauer über den Rücken.

Wie kam sie danach mit dem Leben zurecht?

Ein paar Tage später erzählte sie mir am Telefon, dass sie am Grab ihrer Freundin stand. Ich machte mir große Sorgen wegen der seelischen Belastungen, die ein frisches Grab auf meine Schwester haben würde.
Danach zogen sie ihre versiegten Kräfte aus dem Familienleben und sie litt täglich unter neuen Beschwerden, die sie nicht aus dem Bett lassen wollten.

Sie wollte weiter leben und konnte es nicht mehr. Der Donnerschlg war doch zu hart für sie.

Seit einer Woche liegt sie in der Klinik und zu einer Kommunikation nicht mehr fähig.

Das Medikament, dass die lebensbedrohliche Krankheit eindämmen sollte steht unter Verdacht, den Schlaganfall ausgelöst zu haben und wurde abgesetzt.

Jetzt liegt meine Schwester sprachlos im Krankenbett und muß den endlosen Weg der Erlösung ganz allein gehen.

Und wie geht es dir damit?

Mein Aufschrei liegt noch sehr tief in der Brust und ich hoffe für sie, dass ihr Weg im Dämmerzustand, in dem sie sich jetzt befindet, besser aussieht, als es für uns den Anschein hat. Das ist meine letzte Hoffnung.

LaWe

In den Wind geschrieben

hat Tränen aus dem Haus getrieben

alles muss raus

vermüllt bis zum...
Als braver Bürger trenne ich den Müll sorgsam, so wie...
Lange-Weile - 20. Aug, 13:27
Nostalgische Erinnerung
Als ich Federhalter, Feder sowie das kleine Tintenfass...
Lange-Weile - 14. Aug, 14:25
Für alle Sushi Friends
Beeindruckender Film, auf jeden Fall sehenswert. Hat...
sushi-friends - 11. Apr, 14:40
Hallo Lo.
..ja ich denke, er hätte sich gefreut, auch wenn mein...
Lange-Weile - 20. Aug, 08:50
Ein schöner Nachruf...
Ein schöner Nachruf...
Lo - 19. Aug, 12:46

Das Neuste von

Hallo ;-)

meine Randbemerkungen

Achja...
das wusste ich gar nicht. Diese Art feinsinnigen Humor...
abendGLUECK - 5. Mai, 09:48
wie makaber ;-) Bei...
wie makaber ;-) Bei uns wurde es ähnlich, aber anders...
abendGLUECK - 4. Mai, 08:13
Gegenmittel
Hallo Bo., gestern las ich über eine amerikanische...
abendGLUECK - 25. Apr, 11:03

Abendstimmung

Suche

 

Wer bist du?

Online seit 6739 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Albtraum
Alter Schwede
Betrachtung
Experiment
Fragen
Glücksliste
Kurzmitteilung
Musik
Nachklang
Rätsel
Spaß Ecke
Stadtbilder
Stöckchen
Tage im Fluss
Traumzeit
Witzecke
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren