große Politik

saß gestern mit uns am Frühstückstisch.

“Gestern hab ich mir alles reingezogen, was das Fernsehen zur Wende zu bieten hatte. Das sah ja schlimm aus, wie die Menschen damals geflüchtet sind” sagt Sohnemann.

Er erlebte diese Zeit als Säugling. Die DDR und ihr Untergang ist für ihn nur eine Episode in der Geschichte. Die 20 Jahre nach der Vereinigung entsprechen seinem Leben als 20ig jähriger und so geht es ihm so wie mir mit meinen Eltern, die eine völlig andere Zeit in ihrer Jugend miterleben musste.

So wird der Staffelstab der gesellschaftlichen Entwicklungen in der Familie weiter gegeben.

Meine Großeltern erlebten die Weimarer Republik und den Hilterfaschismus.

Meine Eltern erlebten den Rest der Weimarer Republik – den Hitlerfaschismus und den Sozialismus. Sie durchliefen 3 Täler der gesellschaftlichen Entwicklungen.

Meine Spanne ist da etwas geringer.

Ich erlebte den Sozialismus und nun den Kapitalismus.

Gestern stöberte ich in meiner Zeitungsammlung aus der Zeit der Wende 1989/1990.

Alles was für mich aufhebenswert war, waren Hoffnungschimmer auf Erneuerung und Veränderung.

Doch die Erneuerung nahm eine andere Richtung, als ich erhoffte. Was kam, war der Kapitalismus und wir DDR.ler wurden abgewickelt und marschierten erst mal alle in Richtung Begrüßungsgeld und anschließend die zahlreichen Umschulungen, in der Hoffnung, dass die neue Zeit bessere Zeiten werden, als die hinter uns lag.

Die Zeitungen lagen 20 Jahre nahezu unberührt in einer meiner Schränke und gestern kamen wie wieder ans Tageslicht – indirekt im Gespräch mit Sohnemann.

20 Jahre nach der Abwicklung der DDR wurde viel über die Zeiten von damals berichtet und Sohnemann zog sich über die Medien rein, was er nur als “Quark im Schaufenster” und später als Baby erlebte.

Wenn ich heut mit offenen Ohren durch die Straßen gehe, hör ich hier und da viel Unzufriedenheit. Die, die es geschafft haben im Kapitalismus, können zufrieden sein. Die anderen sind chronisch unzufrieden.

“Denn nehmen wir eben unsere DDR-Fahne wieder auf den Rücken und gehen damit auf die Straße” hörte ich laut vor ein paar Tagen aus einer Männergruppe, die sich mit `nem Bier in der Hand vor einem großen Supermarkt über ihr Leben unterhielten.

Vielleicht haben sie sich auch über die große Politik unterhalten und darüber, was ihnen die Wende von damals brachte. Die Hoffnungen schienen sie jedoch an den Nagel gehängt und die Wende zu einem besseren Leben begraben zu haben.

LaWe

bonanzaMARGOT - 5. Okt, 13:11

im westen waren die meisten von der deutschen einheit gar nicht betroffen. ich kriegte es für mich nur mit, weil ich etliche arbeitskollegen/kolleginnen aus dem osten bekam und weil der soli von der politik erhoben wurde.
natürlich freute ich mich für die menschen und abstrakt für ganz deutschland ...; man wird selten zeuge solcher geschichtlichen wunder (im positiven) und dann noch vor der eigenen haustüre.
jahre später radelte ich durch thüringen, sachsenanhalt, brandenburg und mecklenburg vorpommern - ansonsten kannte ich den osten ja nur aus den erzählungen meiner eltern und aus dem tv. ich radelte durch gesamtberlin und kam am checkpoint charlie vorbei. ja, die unzufriedenheit bei jenen, die sich von der einheit eher betrogen fühlen, registrierte ich auch. leider blieben nicht wenige ostdeutsche auf der strecke ...; einige von ihnen wandten sich dem neonazismus zu, und einige würden am liebsten stalin wiederauferstehen lassen.
menschen sind leider so blöd, dass sie immer andere verantwortlich für ihre mißliche situation machen wollen und schließlich die vergangenheit verklären, in der für sie angeblich alles besser war.
ich glaube, dass die nachwachsenden generationen wie die deines sohnes von solchen ost-west vorurteilen und ressentiments nichts mehr wissen wollen. die doofköppe, die an dem ddr-regime festhalten, werden langsam aussterben.
dass es vielen menschen schlecht geht, hat mit der einheit und ost-west nichts mehr zu tun. das ist folge der beschissenen (sozial)politik der letzten jahrzehnte.
der kapitalismus ist grausam, wenn das soziale in der gesellschaft wegbröckelt.

Lange-Weile - 6. Okt, 12:40

Besitzdenken

Hallo Bo.,

jetzt wo der Sozialismus als Konkurrent nicht mehr existiert, kann sich der Kapitalismus auf eine andere Art entfalten und zeigt sich wie jetzt, schön wesentlich harter, als vor der Wende.
Der 2. Weltkrieg hatte gelehrt, das man die Menschen nicht bis ins unendliche ausbeuten kann. Daher haben sie die Marktwirtschaft durch die soziale Marktwirtschaft ersetzt.
Doch Befragungen in der Bevölkerung haben ergeben, dass sie die Gesellschaft jetzt mehr und mehr als reine Marktwirtschaft erleben. Das Soizale bröckelt, wie du sagst, täglich mehr ab.
Die Hatz IV Diskussion macht dies wieder deutlich.

Der Ostmarkt ist nach der wende erobert und wie der Westmarkt vor der Wende gesättigt. Das erklärt vielleicht den Aufschwung nach der Wende.

Doch jetzt ist Schluss mit Lustig und die Gesellschaftsform zeigt die Zähne. Noch ist es kein Fletschen, doch ich mach mir nichts vor, die Gebärde wird irgendwann in´s Fletschen rüber gleiten und den Kleinen Mann weiter einschüchtern.

Vielleicht erheben sich auch Deutschalndweit die Menschen und bleiben am Ball, wie wir es z.Zt. in Stuttgart erleben. Dort sehe ich noch den Kampfgeist, wie damals zur Wende.

Obwohl ich damals nicht auf der Seite der heut gefeierten Revolutionäre stand, war ich stolz auf die Menschen des damals kleinen Landes. Der DDR-Bürger war mündig geworden und hatte sich erhoben. Nach dauerender Überdrückung der Wahrheit hatten sie die Nase voll und wollten endlich sagen dürfen, dass die Wirtschaft am Boden liegt. Ich denke, ein groß Teil der Bevölkerung hatte sich die Entwicklung nach der Wende anders vorgestellt.
Sie hääten das Soziale Recht aus der DDR - wie Recht auf Arbeit und Recht auf Ausbildung ihrer Kinder - gern mit in den neuen Staat intergriert. Doch ein bißchen Sozialismus und ein bißchen Kapitalismus - das ging eben nicht. Denn die Lehre von Kalr Marx beschreibt eindeutig, wer die tatsächliche Macht hat, der, der die Produktionsmittel besitzt. Daraus leitet sich alles andere ab. Während im Sozialismus das Volkseingentum das höchste Gut war, ist es im Kapitalismus das Privateigentum das höchste gut.

Doch daran scheitert sicher jeder Versuch, den Sozialimus in der Welt zu installieren. Der Mensch - die meisten jedenfalls - ist und bleibt ein Egomane, der seinen Besitz über alles liebt.

Vielleicht hatte Trotzki Recht, der die These aufstellte, dass die sozialistische Gesellschaft sich nur Global installieren kann und nicht, wie Lenin - ein Hitzkopf, wenn man seine Texte liest - beweisen wollte, dass es auch in einzelnen Länden möglich ist.

Die Vergangenheit hat es ja gezeigt. Der Druck auf die Gesellschaft war so groß, dass sie wieder einmal zu alten alten Methoden (Gewalt) griffen um alle und alles auf den Weg zu bringen und zu halten. Stalin hat da wohl am härtesten durchgegriffen und eine breite Blutspur hinter sich gelassen.

Das ideologische Vakuum, dass nach dem 2. Weltkrieg entstand, wurde mit dem Personenkult um Stalin ausgegleichen. Ähnlich war es nach der Wende, da wurde dieses Vakkum ebenfalls ausgeglichen und einige den den Menschen wurden Nazi´s . Eine extreme Drohgebärde der Gewalt.

Sohnemann will von dem vergangenen Kram nichts mehr wissen. Für ihn ist das alles Nonsens - unwichtig. Er lebt heut und das ist auch richtig so.

Gruß LaWe
bonanzaMARGOT - 6. Okt, 13:13

der sozialismus in den sogenannten sozialistischen staaten ist dummerweise diktatorisch - mit allen negativen freiheitseinschränkenden konsequenzen für die menschen - ansonsten nämlich gar nicht durchsetzbar, weil menschen eben nicht von natur aus sozialisten sind. die mehrheit der menschen kann sich besser mit dem egomanischen besitzdenken identifizieren als mit dem sozialismus.
die soziale marktwirtschaft ist an sich keine schlechte idee. dummerweise ist es mit dem menschlichen antlitz im kapitalismus nicht weit her, bzw. das funktioniert im aufschwung ...; sobald es der wirtschaft schlechter geht, wird druck auf das schwächste glied in der gesellschaft ausgeübt, und das ist der "kleine mann". wenn man dann auch noch von konservativen und liberalen regiert wird, muß sich niemand wundern, wenn der sozialabbau munter weiter betrieben wird. wir laufen zügig auf eine zweiklassengesellschaft zu: nicht "ausländer - deutsche", nicht "ost - westdeutsche", sondern "arm - reich".
diese ganze integrationsdebatte lenkt doch nur von den eigentlichen problemen ab. solange sich das volk mit sich selbst beschäftigt, haben die da oben nicht viel zu befürchten.
trotzdem glaube ich, dass es - wie stuttgart 21 zeigt - eine zeitbombe ist, wenn ein großteil der bevölkerung sich von der politik beschissen fühlt. es gibt einen kritischen punkt, den die mächtigen besser nicht überschreiten sollten.
sowieso wird sich der unmut (hoffentlich) bei den nächsten wahlen niederschlagen. und das ist eben der vorteil einer demokratie, lawe! wir können die arschlöcher immer wieder abwählen. der sozialismus existierte nur deswegen so lange, weil keine freien wahlen stattfanden, weil alle politisch anders denkenden gnadenlos unterdrückt und verfolgt wurden.
eine ideologie ist nur so lange gut, wie die mehrheit der menschen ihr freiwillig folgt - und nicht unter zwang.
Lange-Weile - 6. Okt, 14:20

Freiheit

Hallo Bo.,

das ist richtig. Der Sozialismus der Vergangenheit war nicht demokratisch und enthielt deshalb auch keine Gewaltenteilung. Man nannte diese Demokratie "demokratischer Zentralismus" und die Wahlen endeten damit, dass der Büger nur einen vorgeschrieben Zettel in die Urne warfen. Ein Kästchen für Kreuze gab es nicht. Eigendlich wurden nur die Personen während des Wahlkampfes vorgestellt und am Wahltag ließen sie sich vom Volk gestätigen. Das war alles andere eine freie Wahl.

Die ersten freien Wahlen liefen anders und hatten noch eine hohe Beteiligung. Heut sieht es eher wieder flau aus und nur wenige gehen zur Wahl.

Meine abgemilderten Kritik der Vergangenheit gegenüber hat das Recht auf Ausbildung und Arbeit im Hintergrund meines Kopfes und dieses Recht vermisse ich sehr. Grade im Hinblik auf die Jungend, die man heut schon eine verlorene Generation nennt. Die Mittelklasse- Jugendlichen passen nicht ins Konzept von "Optimieren und Profilieren"

Gruß LaWe
bonanzaMARGOT - 6. Okt, 14:39

du solltest nicht die kraft der jugend unterschätzen, lawe.
beinahe jede zeit hatte ihre "verlorene jugend" - es ist immer eine art umwälzungs- und reifungsprozeß. alles wiederholt sich fraktal.
leider fallen dabei doch einige durchs netz. hier sehe ich den handlungsbedarf, dass wir denen helfen, die es absolut nicht allein schaffen können. solidarität bedeutet für mich, dass eine nächstenliebe auch die schwachen mitträgt - und zwar menschenwürdig.
dieser solidaritätsgedanke wird immer wieder von konservativen und liberalen politikern unterminiert, indem sie einen teil der gesellschaft demütigen und sozialneid entfachen.

Trackback URL:
https://langeweile.twoday.net/stories/8375507/modTrackback

In den Wind geschrieben

hat Tränen aus dem Haus getrieben

alles muss raus

Test
Test und das war es auch schon
Lange-Weile - 16. Aug, 14:56
vermüllt bis zum...
Als braver Bürger trenne ich den Müll sorgsam, so wie...
Lange-Weile - 20. Aug, 13:27
Nostalgische Erinnerung
Als ich Federhalter, Feder sowie das kleine Tintenfass...
Lange-Weile - 14. Aug, 14:25
Für alle Sushi Friends
Beeindruckender Film, auf jeden Fall sehenswert. Hat...
sushi-friends - 11. Apr, 14:40
Hallo Lo.
..ja ich denke, er hätte sich gefreut, auch wenn mein...
Lange-Weile - 20. Aug, 08:50

Das Neuste von

Hallo ;-)

meine Randbemerkungen

Achja...
das wusste ich gar nicht. Diese Art feinsinnigen Humor...
abendGLUECK - 5. Mai, 09:48
wie makaber ;-) Bei...
wie makaber ;-) Bei uns wurde es ähnlich, aber anders...
abendGLUECK - 4. Mai, 08:13
Gegenmittel
Hallo Bo., gestern las ich über eine amerikanische...
abendGLUECK - 25. Apr, 11:03

Abendstimmung

Suche

 

Wer bist du?

Online seit 7074 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 16. Aug, 14:56

Albtraum
Alter Schwede
Betrachtung
Experiment
Fragen
Glücksliste
Kurzmitteilung
Musik
Nachklang
Rätsel
Spaß Ecke
Stadtbilder
Stöckchen
Tage im Fluss
Traumzeit
Witzecke
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren