unheimliche Begegnung

Gestern stieß ich mich beim Schreiben in meinem Blog zufällig auf die Frau gegen Einsamkeit . Ursprünglich wollte ich mein Augenwerk auf "Kranksein hält fit" konzentrieren. Die beiden alten Herren aus der Straßenbahn hält der Gang zu ihrer gemeinsamen Ärztin scheinbar fit, denn sie laufen und laufen von einer Sprechstunde zur anderen. Erst am Ende meines Eintrags stieß ich auf die Frau gegen die Einsamkeit.

Der Zufall wollte es, dass ich noch einmal - und zwar nur wenige Minuten später - damit konfrontiert wurde.

Mein Weg zur S-Bahn führt über einer Brücke.



Nur selten begegnet man einem Menschen auf dem Weg zur S-Bahn. Doch gestern traf ich auf einen Mann, der mir schon zu einem vertrauten Menschen geworden ist. So, als wäre es sein täglicher Job ist er ständig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unserer Stadt unterwegs. Ohne Tasche oder Beutel in der Hand, äußerlich ruhig durchquert er doch voller Unrast tagsüber mehrmals allein die Stadt. Nur einmal sah ich ihn in Begleitung einer Frau.

Damals ging der rauchend über eine Straße, gefolgt von einer Frau. Sie sah sich aufgeregt und hilflos um, erwischte meinen Blick und sagte aufgelöst zu mir „Er hört nicht auf zu rauchen und macht sich damit krank“. Ich bestätigte ihre Ängste und dann folgte sie auch schon wieder im Eilschritt dem Mann, der vielleicht ihr neuer Partner war.

Danach sah ich ihn nie wieder in Begleitung.

Gestern kam er mir auf der Brücke entgegen. Ein vertrautes Bild für mich. Der Mann der sein Leben in der fahrenden Straßenbahn verbringt.

Als der Mann mich sah, blieb er stehen und das fand ich mehr als merkwürdig. Doch dann zog er ein Taschentuch hervor und putze sich laut und kräftig die Nase. Erleichtert ging ich weiter und an ihm vorbei, jedoch nicht ohne ihn aus meinem Seitenblick zu beobachten. Während wir aneinander vorbeigingen sah er mich auch – obwohl er noch das Taschentuch an seiner Nase hielt – aus seinem Seitenblick an.

Das gefiel mir gar nicht und machte mich auf einen Schlag unbehaglich. Ein alter Mann – er beobachtet mich aus dem Seitenblick.

Mit flotten Schritten und einen lauter hörbarem Herzklopfen marschiere ich an ihm vorbei, doch meine Augen halten den Kontrollblick auf dem Weg weiter aufrecht. Er macht eine Kehrtwendung und folgt mir. Ich spüre ihn in meinem Rücken und gehe nicht hastig aber schnell. Das lässt den Abstand zwischen uns größer werden.

An der einsamen Haltestelle der Stadtbahn angekommen hoffe ich, dass er wieder auf seinen ursprünglichen Weg zurückgegangen ist, nämlich weg von der Haltestelle.

Doch nein – nur noch wenige Meter, dann würde er vor mir stehen. Ich hab keinen Bock auf eine unangenehme Auseinandersetzung.

Noch 6 Minuten Wartezeit.

Meine Gedanken fliegen jetzt hin und her, denn das Unbehagen in meinem Bauch will kein Ende nehmen. Ich weiß – ich kann den Mann ohne Probleme ich die Ecke drücken - ihn kunstvoll zu Boden werfen – doch will ich das?

Will ich mit einem alten Mann in einen Ringkampf eingehen?

Warum verfolgt er mich überhaupt? Wir sind uns in den letzten Jahren schon hundertfach begegnet, doch immer aneinander als fremde Menschen
vorbei gegangen.

Sicher ist er harmlos, doch das Unbehagen setzte bei mir schlagartig ein, als er just in dem Moment seine Richtung änderte, als mich sah. Ich mag auch kein Gespräch mit dem Mann und entschließe mich, die Haltestelle wieder zu verlassen. Doch nun führt kein Weg mehr an ihm vorbei. Er steht schon fast hinter mir.

Ich schaue auf meine Uhr – es sind immer noch 5 Minuten Wartezeit.

„Na, wollen sie schon wieder gehen?“

„Ich bin mir nicht sicher, ob die Bahn heut überhaupt fährt“ täusche ich vor.

„Heut fährt sie wieder richtig“ und dann erklärt er mir, dass sie Bahn nur am Wochenende Schienenersatz fährt.

„Aha“ antworte ich ihm erstaunt und verziehe mich noch einmal ins Wartehäuschen. „Shit – mit gefangen – mit gehangen“ denke ich mir und will jetzt das Beste aus der Situation machen.

Ausgedehnt und Minuten schindend studiere ich den Fahrplan rauf und runter. Erleichtert registriere ich den nächsten wartenden Fahrgast an der Haltestelle. Die Lage entspannt sich für mich und die letzten Warteminuten vergehen im Fluge.

Die S-Bahn fährt vor. Ich steige ein und sehe im Seitenblick den Dauerfahrer ebenfalls ich die Bahn steigen. Doch diesmal trennen sich unsere Wege – ich gehe in den linken Wagen und er in den rechten Wagen den Bahn.
LaWe

PS- das Bild machte ich letzten Herbst. Ich wollte einen großen Vogel im Anflug auf den Sanddornstrauch fotografieren. Bei der Gelegenheit lief mir der Mann ins Bild, von dem in diesem Eintrag die Rede ist.
steppenhund - 21. Mär, 12:14

Ich nehme einmal an, dass Dir der Mann kein Unbehagen bereiten wollte. Andererseits tun wir das manchmal, ohne es zu wollen, ja ohne es überhaupt zu ahnen.
Ich kann mich gut mit ihm identifizieren. Der Seitenblick schien bedrohlich. Ganz selten betrachte ich ebenfalls Leute mit einem Seitenblick. In der Regel schaue ich Entgegenkommenden ganz offen ins Gesicht und in die Augen, was nach meinem Verständnis eher Unbehagen auslöst. Das will ich zwar nicht, aber in der Hinsicht bin ich gemein.
Wenn mir die Person symphatisch ist, ist es ein kurzer Blick mit einem angedeutenden Lächeln. Wenn ich irgendetwas auszusetzen habe, schaue ich eher forschend, als würde ich nachdenken, wo ich die Person schon gesehen habe. Die Reaktionen sind unterschiedlich.
Von freundlichem Entgegenlächeln bis nervöser Abwendung ist alles möglich. Manchmal merke ich, dass die Leute glauben, mich kennen zu müssen. Das ist natürlich unterschiedlich wahrscheinlich. Wenn ich in meinem Wohnort oder in der Nähe der Firma bin, ist es eher wahrscheinlich, weil ich selbst dann sehr extrovertiert bin.
Ich habe in der Regel kein Problem, ein Gespräch anzuknüpfen.
Wenn es zu einem Gespräch kommt, glaube ich nicht, dass noch eine Restangst bestehen bleibt.
Aber ich mache mir schon Gedanken, was ich bei anderen auslöse.

Lange-Weile - 21. Mär, 22:15

Blickkontakte

Hallo Steppenhund,

ein große Repertoire an Blicke hat der Mensch parat und Augen sprechen ja bekanntlich Bände. Und nicht jeder Blick ist steuerbar - sei es für mich selbst oder auch die Wirkung meines Blickes auf andere.

Ich glaube die Wissenschaft beschäftig sich intensiv mit Sprache der Augen :-). Fremde Menschen gegen sich bei einer Bedgegnung nicht nur großzüg aus dem Weg, vorausgesetzt es ist ausreichend Platz, sie meiden auch in der Regel den Blickkontakt ab eine Entfernung von etwa 2-3 Meter.

Den beschriebenen Mann treffe ich seit Jahren häufig an, auch auf einsamen Wegen. Doch noch nie blieb er stehen um mir dann in die Richtung zu folgen aus der er ja grade kam. Dieses - für mich befremdliche - Verhalten löste bei mir das Ungehagen aus.

Ich wünsche dir noch einen schönen Abend

Gruß LaWe
Mr. Spott - 21. Mär, 20:23

Wie angenehm,

wenn man in einem Nest wohnt, wo jeder jeden kennt.
Aber dafür ist unser Dorf auch schon wieder zu groß. Ich blicke nicht jeden Entgegenkommenden an, weil es mir peinlich ist, wenn ich merke, dass ihm das peinlich ist.
Kommt mir jemand entgegen, der mir nicht geheuer erscheint, blicke ich ihn besonders aufmerksam an, als wollte ich mir sein Äußeres und jede Kleinigkeit einprägen, damit er merken soll, den erkenne ich wieder.
Ansonsten finde ich einen Scherz, passend angebracht, nie verkehrt.

Lange-Weile - 21. Mär, 22:26

UrAngst

Hallo Mister Spott,

ich bin auch eine Dörflerin - das heißt vom Elternhaus aus. Das Haus steht auf der Insel Rügen und diese verlies ich vor vielen Jahren schweren Herzens.

Die Idylle eines Dorfes vermißte ich fast 10 Jahre. Die Menschen - sie waren alle vertraut. Ich kannte jeden Pappenheimer -jeden Blödkopp und jeden noch so schrägen Typen. Ich wuchs mit ihnen auf und konnte sie einschätzen.

In der Stadt ist das etwas schwieriger. Da verlasse ich mich auf meinen Instinkt. Und aus dem Eintrag über den betrunkenen Mann, den ich nachts mit meinem Sohn zu seiner Wohnung schleppte weißt du vielleicht, dass ich nicht übertängstlich bin.

Doch wenn ein fremder Mann einer Frau stehenden Fußes folgt, löst das, ohne dass man einen Einfluß darauf nehmen kann, Unbehagen aus. Vielleicht weil man als Frau eine tiefe innere Angst davor hat, jemals in eine hilflose Situation hinein zugeraten.

Der beschriebene Mann ist im Grunde harmlos, doch wußte ich nicht, ob sich seine Psyche in der letzten Zeit geändert hatte.

Naja - wenn du noch bis hier gelesen hast - warst du wirklich ein fleißger Leser und deshalb wünsche ich dir eine besonders gute Nacht :-))

Gruß LaWe

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