Tag der deutschen Einheit
Dieser Tag ist für mich immer mit einer Reise in die Vergangenheit verbunden und lässt mich wieder und wieder beide Systeme unpolitisch miteinander vergleichen.
Ich war jung und stand mitten in meinem Leben. Kinder noch zu Hause..jeder Tag lief seinen sozialistischen Gang. Ich hatte viel Vertrauen in dieses System, dass sich seiner Losung nach nicht auf das Kapital sondern auf das Soziale konzentriert. Alleinerziehend musste ich mir keine Sorgen, dass ich eines Tages meinen Job verlieren würde. In den Betrieben kämpften wir um den Titel “sozialistische Brigade”. Druck hatten nur die Leitunsgkader, die eine Planerfüllung anstreben mussten, die eigentlich gar nicht möglich war.
Meine Kinder- und Jugendarbeit fand bei den Pionieren , in dem wir Timur und sein Trupp nacheiferten und in der FDJ statt, andere Organisationen gab es nicht. Wer die Wahl nicht hat hat die Qual der Wahl nicht. Es gab nur die Optionen – ja oder nein.
In den Familien träumten wir von Westwaren, die über die Westpakete zu uns kamen. in unsere Familie kamen keine. Nur ein Verwandter Westen und der hatte wahrscheinlich mit sich selbst zu tun. Wir nahmen dass, was der ostdeutsche Markt hergab und da war die Qual der Wahl auch kein Thema.
Selbst ist der Mann oder die Frau stand ganz weit oben, wenn es um das Individuelle ging. Die Wirtschaft hatte zu tun, den normalen Bedarf der Bevölkerung abzudecken, auf Sonderwünsche der Verbraucher eingehen, das konnte sie nicht. So haben fast alle das getan, was sie konnten, gestrickt, gehäkelt, genäht, gemauert, gezimmert, gemalert und und und. Jeder half jeden und bekam auch ein Scheinchen dafür. Heut würde man es Schwarzarbeit nennen.
Unvergessen aus der Zeit ist für mich Paul. Er holte mich in den 80iger Jahren zu sich als seine Mitarbeiterin. Wir organisierten gemeinsam Großveranstaltungen. Er erzählte mit in der Zeit einiges aus deinem Leben, erlebte, was ich nicht erleben musste. Als Flüchtling schlug er sich in den Nachkriegsjahren vom Süden in den Norden von Deutschland und lernte dabei die Menschen auch in ihren Abgründen kennen. Nicht selten wurde ihm Hilfe als er in Not war verweigert., er fühlte sich verraten. Das prägte ihn. So etwas soll anderen Generationen nie wiederfahren. Mit der Gründung der DDR fand er in ihr seine Passion. Er arbeitete emsig an der Verbesserung der Welt. Als auch diese Welt plötzlich in Scherben lag, war er ein trauriger gebrochener Mann. Er legte seine Hand auf meine Schulter – er bliebt sonst immer in einem korrekten Abstand zu mir - und sagte zu mir: “Sie haben uns alle verraten”, danach sah ich ihn nie wieder.
Die DDR war zerschlagen, Paul war es auch. Dann wurden die Betriebe abgewickelt, Paul tat gleiches mit sich selbst. Er überlebte die Wende nur ein Jahr. Er erkrankte an Magenkrebs, verweigerte trotz flehen seiner Frau jede medizinische Therapie und lies sich erst in die Klinik bringen als es ans Sterben ging.
Heute hat sich jeder DDR Bürger in sein neues Leben eingerichtet. Einige von ihnen haben es ganz weit nach oben – Frau Merkel und Herr Gauck- geschafft, andere treiben im Mittelfeld, andere wieder sind auf der Strecke geblieben.
Nach 24 Jahren BRD-Bürger liegen die DDR Jahre in weiter Ferne, aber ich bin trotzdem froh, dass ich die Jahre auf der Ostseite – von den Anfängen bis zum Niedergang - miterleben durfte.
La We