Erleuchtung

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Diesmal sah sein Lächeln nicht so smart aus wie sonst, als er im Zimmer von Sohnemann verschwindet. Ich erhasch im Vorbeigehen sein Lächeln. Es sieht abgeschwächt und traurig aus. Er ist der einzige der Kumpels und Freunde von Sohnemann, der immer mit einem Lächeln an mir vorbei zieht. Von weiten oder wenn er auf der Couch sitzt kann ich sein lächelndes Gesicht auf Augenhöhe sehen, bin ich in seiner Nähe, muss ich mich mit meinem Oberkörper zurück beugen und den Kopf weit nach hinten lehnen, mit den Augen Richtung Decke sehen, damit ich sein Gesicht sehe.  Dabei ist er noch so jung und aus meiner Perspektiv doch schon ein 2,20 Meter Mann. Der große Kleine ist aber noch keine 18.

Wenig später kommt Sohnemann zu mir ins Wohnzimmer und flüstert mir ins Ohr mit weiten Augen ins Ohr: “Mutters, kann M. bei uns schlafen?. Er hat Stress mit seiner Mutter”.

Naja…in meinem Hinterkopf arbeitet es und ein alter Film spult sich ab. Ich denke an die Zeit zurück, als ich Sohnemann deutlich machen musste, wer das Sagen hat und wohin der Hase läuft. Denn er hatte sich vor lauter Hackenschlagen schon auf einer graden Straße verirrt und drehte schon die .zigste Runde nutzlos im Kreis. Damals entbrannte aus meiner Wut eine tatkräftige Aktion. Seine Zimmereinrichtung landete – soweit sie für mich tragbar war – aussagekräftig im Flur. Er musste drüber steigen, wollte er in sein Zimmer gelangen.. Diese deutliche Sprache nahm er mit einem Kopfschütteln zur Kenntnis und die Aussage fruchtete nicht. Erst als nach dem nächsten Ärgernis und meine damit einhergehenden Wut sein gesamtes Zimmerinventar vor dem Müllcontainer stellte, kam der erste erschrockene Blick in meine Richtung. In ihm spiegelte sich die Angst, dass die sorglosen Jungendjahre vorzeitig enden. Ich hatte die nötige Aufmerksamkeit  und wir hatten endlich eine Basis für eine Kommunikation und die Spielregel wurden nach meiner Vorgabe neu abgesteckt, damit die rote Karte nicht wieder in sein leer geräumtes Zimmer fliegt. M.. und Mutter werden ähnliche Sorgen haben, spekulier ich still und leise vor mich hin. Da kann ein Abstand nicht schaden. Nachdenken und überlegen - aus Mutter- und aus Sohnessicht.

“Ja..klar - kann er. Wenn du ihm dein Bett zu Verfügung stellst” Sohnemann ist erleichtert und M. vielleicht auch. Erst mal durchatmen und nachdenken kann nicht schaden.

Gestern – am Frühstückstisch - war sein Lächeln immer noch nicht ganz hergestellt. Er hat die typische Haltung einen großen kleinen Jungen, der den Halt verloren hat. Der Oberkörper hängt über den sitzenden Körper, sieht nachgiebig und kraftlos aus. und das lässt sein Lächeln noch trauriger wirken. Nach dem ausgedehnten gemeinsamen Frühstück zieht er wieder ab und kehrt in sein Kinderzimmer zurück. Er ist einer von 3 großen Jungs, die Mutter unter Kontrolle und im Griff behalten muss, keine leichte Aufgabe, kurz bevor sie Pflücke werden, potenziert sie sich noch.

Heut am Montag saß M. schon bei Sohnemann im Zimmer  als ich heim kam. Sein Strahlen kam mir schon im Flur entgegen und dabei hatte ich nur einen Seitenblick im vorbeigehen riskiert.. Nicht nur die Augen strahlten, sondern auch sein Kopf. Die Haare so kurz geschoren, dass die Kopfplatte im Schein der Deckenleuchte Glanz annahm. “Na..da hat Mutter dir wohl mehr als nur der Kopf gewaschen” denke ich insgeheim in meinen kleinen Kämmerlein meiner Denkstube. Ich lächel zurück und bin doch etwas erleichtert, dass ihm sein Lächeln wieder leicht über die Lippen kommt.

“Haben sie einen Flyer für ihre Yogastunden?” fragt er mich zu meiner Überraschung. Ich nahm an, dass er den Begriff “Yoga” gar nicht kennt oder kaum Notiz davon nimmt. Doch er nahm Notiz davon, doch warum das? Er erklärte mir, dass er seine Mutter überzeugen wollte, auch mal Yoga zu machen. So auf die Schnelle nannte ich ihm alle Termine vor Ort und die nahm er gedanklich erst mal mit nach Haus.

Es mag so ´ne Stunde vergangen sein, da kam bei mir eine Erleuchtung in den Sinn. Sohnemann hat bestimmt erzählt, dass ich nach Yogastunden immer entspannt nach Hause komme und falls es davor ein großes Problem zwischen uns gab, hatte es sich anschließend deutlich verkleinert und der damit verbundene Stress für ihn auch. Solch ein Puffer möchte sich sein Freund M. vielleicht auch schaffen. Wollte er heut damit den ersten Stein für das Fundament legen ?

Damit die Mütter bei den Kapriolen ihre pflücke werden Söhne entspannt bleiben, müssen die Söhne sich schon was einfallen lassen.

Ich bleib neugierig, ob sein Ansinnen Früchte trägt.

LaWe

bonanzaMARGOT - 22. Feb, 13:33

schön geschildert! (wir sollten irgendwann mal mit unserer geballten sprachkunst ein buch schreiben, lawe.)

yoga ist bestimmt eine gute methode, um gestresste mutternerven zu entspannen. ich erinnere mich noch gut an die yoga-zeit meiner mutter, die ja zumindest zwei jahre lang sogar den volkshochschulkurs leitete. sie ist eine ehrgeizige frau und übte viel zuhause. in dieser zeit hatte sie ein gefestigtes selbstbewußtsein und so gut wie keine nervenkrise.
leider obsiegte dann doch wieder ihre depression.

2,20m? wow!! er sollte basketballer werden.
stress mit den eltern ist in diesem alter beinahe alltag. keine leichte zeit für beide seiten.
manche jungs muß man regelrecht aus dem nest stoßen, damit sie flügge werden - was natürlich weh tut. mütter sind da eher jene, die weichere töne anschlagen ... leider wird das oft ausgenutzt.
wie gesagt - nicht einfach!

Lange-Weile - 23. Feb, 15:17

Drohgebärden

Hallo Bo.,

danke für dein Kompliment ;-) - ja...vielleicht findest sich ja noch eine zündene Idee für ein Buch und das könnte man ähnlich schreiben,wie der Film: "Meine Tage mit Pierre, meine Nächte mit Jacqueline". Die selben Ereignisse aus Frauen und Männersicht geschildert. ;-)

In der Familie des großen Kleinen - so hab ich heut erfahren - gibt es unter den Söhnen wohl große Konflikte. Ein schwarzes Schaf und schon kann das eine ganze Familie aus den Angeln heben. Solch ein Hintergrund steht hinter dem verschwundenen Lächeln. Der große Kleine kann auf Konflikt scheinbar noch nicht reagieren, sondern er reagiert mit Drohgebärden. Der Vater soll ähnliches Verhaltensmuster gehabt haben. Da ist wahrlich wenig Hilfe von außen möglich, denn entscheidend bei allen Konflikten ist der Kopf, der es ermöglicht. Licht ins Dickkicht der verwirrten Gedankenwelt zu bringen.
So wie ich erfahren hab, steht die Mutter mitten im Konflikt ihrer Söhne. Ein Wahnsinnsspannungsfeld, in dem ich als Mutter nicht stecken möchte.

Es ist schade, dass deine Mutter den Durchbruch im Yoga nicht gefunden hat und das letztendlich die Depression über ihren Willen siegte.

Ich persönlich kenne depressive Stimmungen nur, wenn ich die Kontrolle über mein Leben verlor. Das geschah in der Regel nur, weil ich es zulies. Heut lass ich mein Leben auch nicht von meinen Kindern kontrollieren, so, wie mein grßer Sohn es mit seinem Rückzug versucht. Sein Vater war ein Meister, mir ein schlechtes Gewissen zu machen, sein und mein Sohn, will diesen Effekt auf seine Weise verstärken. Das tut mir weh, aber ich leide nicht drunter.

Ich wünsch dir eine ruhige Nachtschicht

Gruß LaWe

bonanzaMARGOT - 23. Feb, 15:48

oh - ich habe heute keine nachtwache. morgen nur eine dämliche besprechung und übermorgen einmalig einen frühdienst. meine chefin stichelt mich gern mit solchen aktionen. ich glaube, ich bin der einzige, vor dem sie - warum auch immer - angst hat. und darum zeigt sie mir von zeit zu zeit, dass sie als chefin macht über mich hat. nun denn. es nervt mich wirklich, aber ich versuche drüber zu stehen.

du hast recht: im kopf dreht vorallem blödsinn seine kreise.

ja, ich hätte mir damals gewünscht, dass meine mutter durch das yoga stabiler in ihrer gemütsverfassung bleibt. aber die krankheit saß doch einige ebenen tiefer ... in der seele. womöglich gibt es da auch eine genetische disposition mütterlicherseits. der bruder meiner mutter ist schizophren, meine oma (also die mutter meiner mutter) brachte sich mit gas um, und die uroma landete in einer nervenheilanstalt.
na ja, und ich bin alki (lach!)
besser als eine disposition für krebs, denke ich mir.
im alter wurden die depressionen und anfälle meiner mutter immer seltener. die symptome verlagerten sich mehr ins psychosomatische.
das ist für das umfeld wenigstens nicht mehr so erschreckend. (das war für uns eine schlimme zeit, wenn die mutter ihre anfälle hatte ...)
ich glaube, dass meine mutter damals sehr an ihrem schlechten gewissen gegenüber ihrer mutter litt, die von allen verlassen, in der ddr blieb.
der selbstmord war dann die bestätigung ...
scheiß familienstories! warum ist nur alles so kompliziert?

tschuldige, ich wollte gar nicht so viel darüber erzählen.

was das buch angeht: es gibt in unseren blogs schon viele gute beiträge, welche man nach einer überarbeitung zu einem büchlein zusammenstellen könnte ...

lieben gruß.
Lange-Weile - 23. Feb, 16:09

gute Idee

Hallo Bo.,

ich blogge hier ja schon das 6. Jahr - davor bei 20six.de - und da wird einiges zusammengekommen sein, was nach einer entprechenden Sichtung und Ausarbeitung bzw. Aufbereitung eine Menge Seiten meines Buches füllen könnte. Nicht zu vergessen, die dicken Ordner meiner schriftlichen Aufzeichnungen, die ich in dieser Zeit auch schrieb.
Wenn man bei dir die Schubladen aufmacht, komme bestimmt auch ein riesiger Berg festgehaltenes Gedankengut zusammen. Und alles chronologisch geordnet, spiegelt es bestimmt den Zeitgeist wieder.

Ja..warum es in eineigen Familien immer so daramtisch läuft, weiß ich nicht. Als meine Schwester tödlich erkrankte, hatte ich das Gefühl, dass man mir die Beine wegschießen will. Ich hatte Mühe, mich auf den Beinen zu halten.

Was meinen großen Sohn betrifft, gibt es väterlicherseits auch einige Dispositionen. Dort haben immer Kinder mit der Familie gebrochen - auch gibt es harte Brüche unter den Geschwistern, die fast in einen Krieg mündeten. Was den Suizid-Versuch meines Sohnes betrifft, da erfuhr ich kürzlich, dass es väterlicher seits - ein Onkel - auch einen Selbstmord gab. Darüber wurde aber geschwiegen.

Es scheint, als wiederholt sich innerhalb einer Familie alles wieder und einer der Familie trägt auch diesen traurigen Staffelstab weiter.

Gruß LaWe

bonanzaMARGOT - 23. Feb, 16:29

nun, da ich keine kinder habe, wird sich von meiner seite aus nichts wiederholen. was wahrscheinlich ganz gut ist.
seltsam ist, dass ich bereits im alter von sechs sagte, dass ich nie heiraten will, und damit auch die kinderlosigkeit (gewisserweise) vorwegnahm.

ich finde die konstellation interessant: du als mutter mit den ganzen muttersorgen - und ich als (ewiger) single, der sich allem familiären ansinnen schon früh entzog. trotzdem gibt es doch viele gemeinsame fragestellungen und gemeinsame geistige schwerpunkte. darum lese ich gern in deinem blog. du sprichst mir oft aus dem herzen.
Lange-Weile - 5. Mär, 16:22

Fluss des Lebens

Hallo Bo.,

ich hab schon mal geguckt, ob es hier eine Option gibt, mit der man die Beiträge inklusive der Kommentaren ausdrucken kann und das wirklich wichtige daraus zusammen zu stellen. Das wäre auch für mich als Ablage auch interessant. Wenn ich bedenke, was in der Zeit von 2006 alles im meinem Leben passiert ist.

Ähnlich wird es dir ja auch gegangen sein ;-)

Gruß LaWe

bonanzaMARGOT - 5. Mär, 18:04

Da ich in meinen Blogs Inhaltsübersichten anlegte, ist für mich das Stöbern etwas leichter.
Es geht mir sowieso nicht nur um die Archivierung sondern evtl. um eine essentielle Wiederaufarbeitung gewisser Highlights.
Wie das zu gestalten wäre, damit's auch spannend für Aussenstehende ist ...
Mal drüber nachdenken. Arbeit bedeutet es bestimmt jede Menge.
Aber vorher muss die Idee noch besser reifen.

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