mächtig gewaltig
Eine lange und am Ende mit kurzem Bogen nach schräg unten gebogene Nase sollte der Darsteller haben, wenn ich ihn nach meinen Vorstellungen die Rolle eines Egoisten besetzen sollte. Eben eine mächtig gewaltige Nase, die nicht nur ihre Spitze neugierig in fremde Angelegenheiten steckt, sondern auch zwischen dem Beste vom Besten noch das Beste heraus für sich heraus picken kann. Die leicht nach vorn gebogene Nase kann sich bis in den Untergrund wühlen, ohne ungewolltes mit spitzen Schnabel zu beschädigen Damit bleibt für den Rest der Welt der Rest unbeschädigt. Ein praktische Werkzeug eben.
Dieses Bild eines Menschen mit eben einer solchen Nase schob sich an meiner Stirn wie ein Bild vorbei. als ich gestern im Supermarkt eine Kundin sah, die für sich und ihrer Familie nach frischen Erdbeeren suchte. Die zahlreichen und offenen 500 Gr. Erdbeer-Schalen wurden von den Händlern übersichtlich ausgebreitet. Das offene Angebot nutze die Kundin aus und lies keine Erdbeere unberührt um sie genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei griff sie wahllos in jede Schale und sortierte sich die besten der besten Erdbeeren für ihren Kauf aus. Während die restlichen Schalen am Gewicht verloren, ihre Schale füllte sich mit dem besten Erdbeeren, die der Markt zu bieten hatte. Ihre penible Auswahl zog sich über mehrere Minuten hin. Dann hatte sie endlich die besten Erdbeeren für sich persönlich aussortiert. Die ihr rein optisch nicht gefielen, legte sie in die Schalen wieder zurück, die können die anderen haben.
Naja…nach ihre Auslese war mir der Appetit auf Erdbeeren verflogen. Trotzdem rang ich mit mir.
Sollte ich sie darauf ansprechen?
Oder sollte ich mich als Petzerin befleißigen?
Ich entschied mich als Feigling gegen beide Wege, meiner Entrüstung Luft zu machen. Was blieb, war ein unangenehmes Gefühl einer Egoistin weltvergessen beim Rahm abschöpfen ungewollt beobachtet zu haben. In der Tat hatte sie die oben beschriebene Nase und ihr Mann , der an der Kasse dann neben ihr stand, ebenfalls.
Mächtig gewaltig ist der Hurrikan, der in den nächsten Stunden über Amerika hinweg fegen wird. Er trägt meinen Namen und ich weiß nicht, ob ich mich geehrt fühlen sollte.
Mächtig gewaltige Regenmassen und Gewitter überzogen letzte Nacht Rostock mit dem taghellen Blitzen und leuchtenden Wolken. Ein Naturschauspiel, wenn man auf trockenen Boden lebt. Doch das ist für einige Stadtbewohner schon lange nicht mehr der Fall. Die sich stetig vergrößernden versiegelten Flächen der Stadt führen die Wassermassen zu kleinen Sturzbächen in Niedergebiete und die Bewohner kämpfen mit dem Wasser, deren Häuser dafür nicht gebaut wurden. Man spricht jetzt schon von Hochwasserschutz. Aber die Versiegelung wird sicher weiter gehen.
Mächtig gewaltig wird heut auch der Bahnhof für einen Rückkehrer sein. Vor 4 Jahren zog er mit seiner Mutter in die Fremde. Der Freund von Sohnemann – sie hielten auch über die Ferne zusammen - bezieht heut sein erstes eigene Heim als Erwachsener und darauf stellen sich seine Altfreunde von damals aus Rostock ein. In wenigen Stunden werden sie ihm im Spalier stehend empfangen, wenn er mit seinem Möbel-Transporter in die Straße von Rostock fährt, in der er die nächsten Jahre leben will.
Er und Sohnemann – zwei alte Freunde – werden am Donnerstag gemeinsam ihre Ausbildung zum Mediengestalter beginnen.
Ihre Traumausbildung – mächtig gewaltig.
Viel Glück bleibt mir dann nur noch zu sagen.
LaWe