Schock
Nur Trauer um die Toten, die gestern während der weltgrößten Party um´s Leben kamen.
Mein Mitgefühl gilt denen, die schwerverletzt noch in den Kliniken liegen.
So sieht die Originalseite der Loveparade heut aus. Nur noch tiefe Trauer und Sprachlosigkeit.
Während der Pressekonferenz heut Mittag sah ich emotional erstarrte Verantwortliche, die wieder und wieder ihr Regelwerk zum Sicherheitskonzept erklärten. Alle drängenden Fragen der Journalisten auf in die Warteschlage der zu erwartenden Ermittlungsergebnisse durch die Staatsanwaltschaft verschoben. Sie sahen noch immer fassungslos aus.
Wer von den Anreisenden zur Loveparade hätte gedacht, dass sein Leben am Duisburger Tunnel enden wird?
All das Geschehen, worüber nun schon seit 24 Stunden über alle Medien berichtet wird, wirkt auf mich so absurd und unwirklich, dass ich es noch immer nicht fassen kann. Als einzige emotionale Regung erfasse ich momentan nur eine stumme Sprachlosigkeit. Mein Verstand versucht zu verstehen und zu begreifen und so versuche ich rational die Ereignisse zu erfassen. Selbst die händeringende, Ausweichmanöver der Verantwortlichen der Stadt Duisburg kann ich nachvollziehen. Das Sicherheitskonzept wurde von vielen Instanzen überprüft und akzeptiert.
“Wie kann man nur” lauten die Vorwürfe. Hinterher sind alle schlauer. “Wie kann man nur eine Menschenmasse durch einen Tunnel leiten? “
Klar – wie kann man ?
Die Verantwortlichen sagen, sie haben alle Erfahrungen aus der Vergangenheit in ihrem Sicherheitskonzept berüchtsicht.
Und was die Sache mit einem Tunnel betrifft, da hab ich auch schon meine Erfahrungen gemacht.
Die Millionenparty zur Silvesternacht in Berlin. Gut gelaunt zogen wir vom einem Ende zum anderen der Party. Unterwegs Bühnen und Stände und feierende Besucher. Um zur Siegessäule – oder auch wieder zurück - zu kommen, mussten alle Besucher durch das Nadelöhr am Brandenburger Tor. Das Tor war damals nur einseitig passierbar war. Also drängten die Massen sich durch die Enge, die nach innen immer enger wurde. Wer erst im Strom der Menschenmassen steckte, kam nicht mehr zurück, er musste mit. Ich hielt meine Ellenbogen vom Körper weg, um mir Raum zum atmen zu schaffen. Der Druck von hinten nahm zu. Mit mir mein damals noch 11 jähriger Sohn, der zum Glück in meine Nähe war. Die bedrückende Enge hielt bis zum Schluss an.
Angstvisionen von “Massenpanik” oder eventuell einen Sturz von mir, hielt ich bewusst in Grenzen und ermunterte meinen Sohn, sich tapfer an meiner Seite mit mir zusammen durchzuschieben.
Für einen sonst 3 Minuten Weg brauchte ich 30 Minuten im Gedränge der Menschen und der Bedrängnis meiner Angstvisionen.
Als ich endlich den Massenschub hinter mir lassen konnte, fragte ich mich, was die Veranstalter sich dabei dachten und nur einen Durchgang in der Größe von einem Nadelöhr anzubieten? Auch Tage danach spukten die Angstvisionen durch meinen Kopf, was alles hätte passieren können-
Damals passierte nichts. Ein Schutzengel hat die damals Verantwortlichen vor dem Schock bewahrt, unter dem die Verantwortlichen von Duisburg jetzt stehen.
Wer von ihnen soll nun die Verantwortung für 19 Tote und 384 Verletzte übernehmen ?
Das ist soo eine große Schuld, mit der man nicht leben kann.
Die Loveparade wird es nicht mehr geben. Der Veranstalter Rainer Schaller schien während der Pressekonferenz noch unter Schock zu stehen.
Duisburg hat die Grenzen der gigantischen Veranstaltungen aufgezeigt.
es kostete neunzehn menschen das leben, und hunderte wurden verletzt und traumatisiert. wieder mal siegte die dummheit über den gesunden menschenverstand. solch große menschenmassen sind niemals kontrollierbar, und es gibt vielfache sicherheitsrisiken - durch unfälle und anschläge. es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass man solche menschenmassen einpfercht und durch einen tunnel lotsen kann ...
das weiß ja jeder kuhtreiber besser ...
natürlich ist es auch riskant, mit dem auto über deutsche autobahnen zu düsen.
überall im leben, im alltag, lauern risiken. ein unglück dieser dimension beschäftigt uns besonders, weil der horror so offensichtlich ist ..., weil wir so viel leid schwer ertragen können. genausowenig wollen wir auf unserem urlaubsflug ins meer stürzen - aber auch das passiert manchmal, weil niemals alle risiken auszuschließen sind.
die urlaubsflüge werden deswegen nicht abgeschafft.
nun, wie gesagt, um diese mega-technoparty tut es mir nicht leid. irgendeinen ersatz wird es bestimmt in nicht ferner zukunft geben - weil damit nunmal viel geld zu verdienen ist. es würde mich nicht erstaunen, wenn in ein paar jahren regelmäßig eine "gedächtnis - love parade" stattfindet. nichts ist unmöglich in dieser überdrehten welt. die nächste katastrophe kommt bestimmt!
Titanic - Effekt
ja..jetzt sind alle erschüttert und es wird nach Schuldigen gesucht und die warnenden Stimmen werden mehrfach zitiert.
Nach meiner "Tunnelerfahrung" in Berlin war es nur eine Frage der Zeit, was es zu so einer Tragödie kommen wird. Die Kritiker werden ja immer erst abgewiesen und tot geschwiegen. Erst wenn das Kind in den Brunne gefallen ist, wie du schon schreibst, dann erst werden sie zitiert.
Solche "Massenevents" sind eben bis ins kleinste Detail nicht kontrollierbar.
Mit der zunehmenden Vereinsamung der Menschen haben die Bestrebungen zu Massenveranstaltungen - Gemeinschaftsgefühl inklusive - zugenommen.
Die Starre der Verantwortlichen während der Pressekonferenz werden wieder und wieder gezeigt. Wer möchte sich von ihnen diese Schuld aufladen. Das ist erst mal unerträglich und mündet in äußere Starre.
Der Geschehen in Duisburg ist aus meiner Sicht vergleichbar mit dem Sinken der Titanic. Man sah nur die Spitze es Eisberges und übersah, was sich darunter noch abspielen kann.
Die Verantwortlichen haben sich auf das Umlenken und Umleiten der Massen gestützt um Enge unter den Menschen erst gar nicht aufkommen zu lassen - das war ein sehr sehr dünnes Eis.
Nun, mit dem Geschehen in Douisburg haben die Party- Massenevents ihre Konjunktur hinter sich - nur leider macht es die Toten auch nicht wieder lebendig ;-(
Gruß LaWe
selbstverständlich wird sich herausstellen, dass der veranstalter mindestens eine teilschuld hat. und das ist die stadt. deswegen prognostiziere ich, dass der bürgermeister zurück treten wird. aber diese schulddebatte wird sich hinziehen ( - denn, oje, es geht um viel viel geld!versicherungen, entschädigungen ...). die übliche scheiße, welche für die (lebenden) opfer und die angehörigen total unerträglich und zermürbend ist.